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An der blauen Donau - Die Freiheitlichen in Wien

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1956–1990

Die Hochschulvertretung wurde allerdings bereits früher, 1952, mit

Norbert Burger gegründet. Sie erreichte auf Anhieb die zweite Position,

noch vor den Sozialisten, an den Universitäten und Hochschulen

Österreichs. Und das bescherte Erwin Hirnschall auch seine erste politische

Position im bereits damals so genannten Dritten Lager. Er wurde

bereits 1953 stellvertretender Vorsitzender des Zentralausschusses der

Österreichischen Hochschülerschaft. Diese Funktion behielt er bis zum

Abschluss seines Studiums 1955 inne. Nach dem üblichen Gerichtsjahr

entschloss sich der damals 26-Jährige, nicht die Laufbahn eines freien

Rechtsanwaltes einzuschlagen, wie das wohl die allermeisten aus dem

Dritten Lager taten und auch tun, sondern begab sich in den Bundesfinanzdienst.

Für einen Freiheitlichen dürfte das

damals nicht unbedingt gerade ein allzu schweres

Unterfangen gewesen sein. Finanzminister

war immerhin zu diesem Zeitpunkt der parteifreie

Reinhard Kamitz. Der ÖVP-Kanzler

Julius Raab hatte Kamitz in seine Regierung

bestellt. Er hatte damit ein ehemaliges Mitglied

der NSDAP bestellt, der zwar aufgrund seiner

Tätigkeit für die Nationalsozialisten seine Dozentur

verloren hatte, in der Österreichischen

Bundeswirtschaftskammer aber, als Fachmann

unbestritten, zum engerern Kreis von Julius

Raab gehört hatte.

Der mittlerweile berühmt gewordene Raab-Kamitz-

Kurs hatte Österreich bekanntlich

wirtschaftlich saniert. Vor allem die überbordende

Inflation – 1951 waren es noch 28 Prozent

– und die damals als extrem hoch angesehene

Staatsverschuldung betrug 60 Prozent

– konnte erfolgreich reduziert werden. Bereits

im dritten Jahr des Wirkens von Reinhard

Kamitz als Finanzminister kamen sowohl Inflation (auf 5 Prozent) als

auch Staatsverschuldung (auf 8 Prozent) auf ein erträgliches Ausmaß.

Nach heutigen Maßstäben wäre vor allem so eine Staatsverschuldung

ein sensationelles Ergebnis.

Hirnschall galt,

und das war vielleicht in

den ersten Jahren nach

dem Krieg und unter dem

Wiener FPÖ-Obmann Tassilo

Broesigke nicht unbedingt

eine Empfehlung

als liberal.

In dieses Finanzministerium wurde nun, Erwin Hirnschall der junge

Jurist aus dem Waldviertel, aufgenommen. Seine letzte Funktion in

diesem Amt war die eines Ministerialrates. Aber auch politisch gesehen

entwickelte sich die Laufbahn Hirnschalls. Nicht so schnell und

kometenhaft wie jene von Norbert Steger, aber stetig und dauerhaft, wie

sich in den kommenden Jahren herausstellen sollte. Hirnschall galt, und

das war vielleicht in den ersten Jahren nach dem Krieg und unter dem

Wiener FPÖ-Obmann Tassilo Broesigke nicht unbedingt eine Empfehlung,

als liberal. Der Weg dafür war in Wien zu diesem Zeitpunkt noch

nicht aufbereitet. Trotzdem wurde der als etwas uncharismatisch geltende

Niederösterreicher 1959 zum Bezirksrat in der Bezirksvertretung

in Liesing, dem 23. Wiener Gemeindebezirk, gewählt. Schon bei den

folgenden Wahlen 1964 kam er auf einem Reststimmenmandat neben

Albert Schmidt und Peter Karl in den Wiener Landtag bzw. Gemeinderat.

Der Wiener Vorsitzende Broesigke war zu diesem Zeitpunkt bereits

als Nachfolger des nach Straßburg zum 1949 gegründeten Europarat

enteilten Wilfrid Gredler in den Nationalrat nachgerückt. Die Position

Fortsetzung auf Seite 112 ▶

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