An der blauen Donau - Die Freiheitlichen in Wien
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
An der blauen Donau
72
ne Hochrechnung für Wien gab, schickte er Hilmar
Kabas zum Interviewtermin und blieb selber
eingesperrt. Um 19.20 Uhr kam dann endlich die
erste Wiener Hochrechnung: Erwartet wurden
unglaubliche 27,5 Prozent, also ziemlich genau
das spätere Endergebnis. Während draußen im
Büro Jubelschreie zu hören waren, blickte mein
Vater eine gefühlte Ewigkeit ungläubig und regungslos
in den Fernseher. Dann kam abermals
Hilmar Kabas mit ersten Teilergebnissen herein
und seine Freude und Erleichterung war spürbar
und unbeschreiblich.
„
Es gab auch damals
schon in den anderen Bundesländer
Leute, die sich mit Haider
überworfen hatten
Das hat nun aber zu einer Zäsur geführt…
Pawkowicz: Ja tatsächlich, nach diesem Sieg
ist mein Vater zum Bundesparteiobmann-Stellvertreter
aufgestiegen. Es gab auch damals schon
in den anderen Bundesländer Leute, die sich mit
Haider überworfen hatten und neben diesem
gerne einen personellen Gegenpol gesehen haben.
Das hat mein Vater aber stets abgelehnt.
Wusste Ihr Vater eigentlich damals schon von seiner
todbringenden Krankheit?
Pawkowicz: Nein, das kam für alle überraschend.
Noch im Jänner 1997 erfolgte eine mehrtägige,
routinemäßige Gesunden- Untersuchung,
bei der noch alles in Ordnung war. Anfang Mai
1997 kamen dann die ersten Kopfschmerzen und
über Betreiben von Universitätsprofessor Pendl
wurde dann im SMZ-Ost ein schnell wachsender
Gehirntumor, ein so genanntes „Glioblastom“,
festgestellt, das aufgrund seiner Lage kaum zu
operieren war. Wenige Monate später, am 28.
März 1998, war er tot.
Ich habe Rainer Pawkowicz als genialen Politiker
für den parteiinternen Bereich kennengelernt. Er hat es
verstanden, alle 23 Bezirke in Wien unter einen, seinen
Hut zu bringen. Was aber war Ihrer Meinung nach sein
wichtigstes „außenpolitisches“ Anliegen in Wien?
Pawkowicz: In Wien war sein Steckenpferd
die Stadtentwicklung und der Tourismussektor.
Er war auch eine Zeitlang Vizepräsident des
Wiener Tourismusverbandes. Er hat sich sehr
intensiv mit dem Ausbau der S-Bahn und der
U-Bahn, und vor allem für die Schaffung eines
eigenen Wiener Zentralbahnhofes anstelle der
zahlreichen damaligen Kopfbahnhöfe eingesetzt.
Damit konnte man als Oppositionspartei aber
kaum Wählerstimmen bekommen. Das gelang
dann schon viel mehr mit dem „Chicago-Wahlspruch“.
Wie ist es eigentlich dazu gekommen?
Pawkowicz: Das ist eine interessante Frage.
Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der
Öffnung der Grenzen ab 1989 kam es auch zu einer
einsetzenden Zunahme der Kriminalität. Daher
sollte der Spruch eigentlich auf „New York“
lauten, dass damals die Hochburg der amerikanischen
Kriminalität war. Testbefragungen haben
aber gezeigt, das New York trotz der Kriminalität
als pulsierende Wirtschaftsmetropole und
sehr positiv gesehen wurde. Daraufhin fiel
die Wahl auf „Chicago“, weil zu dieser Zeit
gerade die Fernsehserie „Chicago 1930“ lief
und diese Stadt von den Wienern vor allem
mit „Al Capone“ und hoher Kriminalität in
Verbindung gebracht wurde.
Gab es auch, abgesehen von der Wien-Wahl
1996, vielleicht unerwartete, außergewöhnliche Erfolge?
Pawkowicz: Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft
an den berühmten Psychotherapeuten
Victor Frankl war sicherlich ein ganz
besonderer Erfolg. Mein Vater kannte Victor
Frankl aus seiner Zeit als Bauleiter in der Akademie
der Wissenschaften. Frankl war zu diesem
Zeitpunkt zwar international höchst anerkannt,
vielfacher Ehrendoktor und hochdekoriert, aber
ausgerechnet in seiner Heimat Österreich war
er eigentlich nur unter Akademikern bekannt.
In der linken Szene war er umstritten, weil er
als Ausschwitz-Überlebender trotzdem keinen
Zorn hegte und auch immer über alle ideologischen
Grenzen hinweg das Gemeinsame über
das Trennende stellte. Nach einiger Vorbereitung
war es 1995 dann soweit, und Frankl konnte die
Ehrenbürgerwürde übernehmen. Bei uns zuhause
erinnern zahlreiche Briefwechsel Frankls mit
meinem Vater, Widmungen in Büchern und natürlich
die Fotos von zahlreichen privaten Treffen
an diese Zeit.
Zu dem Wiener Bürgermeister Helmut Zilk gab es
ein ausgesprochen gutes Verhältnis?
Pawkowicz: Ja das war legendär. Die beiden
trafen sich beispielsweise immer an den Abenden
vor den Gemeinderatssitzungen in einem Kämmerchen
im Restaurant des Rathauskeller, das
nur dem Bürgermeister vorbehalten ist, um gemeinsam
die kommende Sitzung durchzugehen
und um Grenzen auszuloten. Das wäre heute unvorstellbar.
Mit Häupl war das Verhältnis deutlich