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An der blauen Donau - Die Freiheitlichen in Wien

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An der blauen Donau

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ne Hochrechnung für Wien gab, schickte er Hilmar

Kabas zum Interviewtermin und blieb selber

eingesperrt. Um 19.20 Uhr kam dann endlich die

erste Wiener Hochrechnung: Erwartet wurden

unglaubliche 27,5 Prozent, also ziemlich genau

das spätere Endergebnis. Während draußen im

Büro Jubelschreie zu hören waren, blickte mein

Vater eine gefühlte Ewigkeit ungläubig und regungslos

in den Fernseher. Dann kam abermals

Hilmar Kabas mit ersten Teilergebnissen herein

und seine Freude und Erleichterung war spürbar

und unbeschreiblich.

Es gab auch damals

schon in den anderen Bundesländer

Leute, die sich mit Haider

überworfen hatten

Das hat nun aber zu einer Zäsur geführt…

Pawkowicz: Ja tatsächlich, nach diesem Sieg

ist mein Vater zum Bundesparteiobmann-Stellvertreter

aufgestiegen. Es gab auch damals schon

in den anderen Bundesländer Leute, die sich mit

Haider überworfen hatten und neben diesem

gerne einen personellen Gegenpol gesehen haben.

Das hat mein Vater aber stets abgelehnt.

Wusste Ihr Vater eigentlich damals schon von seiner

todbringenden Krankheit?

Pawkowicz: Nein, das kam für alle überraschend.

Noch im Jänner 1997 erfolgte eine mehrtägige,

routinemäßige Gesunden- Untersuchung,

bei der noch alles in Ordnung war. Anfang Mai

1997 kamen dann die ersten Kopfschmerzen und

über Betreiben von Universitätsprofessor Pendl

wurde dann im SMZ-Ost ein schnell wachsender

Gehirntumor, ein so genanntes „Glioblastom“,

festgestellt, das aufgrund seiner Lage kaum zu

operieren war. Wenige Monate später, am 28.

März 1998, war er tot.

Ich habe Rainer Pawkowicz als genialen Politiker

für den parteiinternen Bereich kennengelernt. Er hat es

verstanden, alle 23 Bezirke in Wien unter einen, seinen

Hut zu bringen. Was aber war Ihrer Meinung nach sein

wichtigstes „außenpolitisches“ Anliegen in Wien?

Pawkowicz: In Wien war sein Steckenpferd

die Stadtentwicklung und der Tourismussektor.

Er war auch eine Zeitlang Vizepräsident des

Wiener Tourismusverbandes. Er hat sich sehr

intensiv mit dem Ausbau der S-Bahn und der

U-Bahn, und vor allem für die Schaffung eines

eigenen Wiener Zentralbahnhofes anstelle der

zahlreichen damaligen Kopfbahnhöfe eingesetzt.

Damit konnte man als Oppositionspartei aber

kaum Wählerstimmen bekommen. Das gelang

dann schon viel mehr mit dem „Chicago-Wahlspruch“.

Wie ist es eigentlich dazu gekommen?

Pawkowicz: Das ist eine interessante Frage.

Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der

Öffnung der Grenzen ab 1989 kam es auch zu einer

einsetzenden Zunahme der Kriminalität. Daher

sollte der Spruch eigentlich auf „New York“

lauten, dass damals die Hochburg der amerikanischen

Kriminalität war. Testbefragungen haben

aber gezeigt, das New York trotz der Kriminalität

als pulsierende Wirtschaftsmetropole und

sehr positiv gesehen wurde. Daraufhin fiel

die Wahl auf „Chicago“, weil zu dieser Zeit

gerade die Fernsehserie „Chicago 1930“ lief

und diese Stadt von den Wienern vor allem

mit „Al Capone“ und hoher Kriminalität in

Verbindung gebracht wurde.

Gab es auch, abgesehen von der Wien-Wahl

1996, vielleicht unerwartete, außergewöhnliche Erfolge?

Pawkowicz: Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft

an den berühmten Psychotherapeuten

Victor Frankl war sicherlich ein ganz

besonderer Erfolg. Mein Vater kannte Victor

Frankl aus seiner Zeit als Bauleiter in der Akademie

der Wissenschaften. Frankl war zu diesem

Zeitpunkt zwar international höchst anerkannt,

vielfacher Ehrendoktor und hochdekoriert, aber

ausgerechnet in seiner Heimat Österreich war

er eigentlich nur unter Akademikern bekannt.

In der linken Szene war er umstritten, weil er

als Ausschwitz-Überlebender trotzdem keinen

Zorn hegte und auch immer über alle ideologischen

Grenzen hinweg das Gemeinsame über

das Trennende stellte. Nach einiger Vorbereitung

war es 1995 dann soweit, und Frankl konnte die

Ehrenbürgerwürde übernehmen. Bei uns zuhause

erinnern zahlreiche Briefwechsel Frankls mit

meinem Vater, Widmungen in Büchern und natürlich

die Fotos von zahlreichen privaten Treffen

an diese Zeit.

Zu dem Wiener Bürgermeister Helmut Zilk gab es

ein ausgesprochen gutes Verhältnis?

Pawkowicz: Ja das war legendär. Die beiden

trafen sich beispielsweise immer an den Abenden

vor den Gemeinderatssitzungen in einem Kämmerchen

im Restaurant des Rathauskeller, das

nur dem Bürgermeister vorbehalten ist, um gemeinsam

die kommende Sitzung durchzugehen

und um Grenzen auszuloten. Das wäre heute unvorstellbar.

Mit Häupl war das Verhältnis deutlich

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