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An der blauen Donau - Die Freiheitlichen in Wien

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An der blauen Donau

„Der feste Wille, es zu probieren“

Dr. Erwin Hirnschall (†) über die Gründungszeit

der FPÖ im Jahr 1956 und die Stärken

und Schwächen des Dritten Lagers

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Herr Dr. Hirnschall, welche Stimmung war damals

bei der Gründung der FPÖ im Jahr 1955/56?

Erwin Hirnschall: In mancher Weise ist es

auch vergleichbar mit Situationen, die wir in

den letzten Jahren erlebt haben. Ich darf daran

erinnern, dass der Gründung der FPÖ der

Zusammenbruch des VdU vorangegangen ist

– eine Spaltung, die es damals natürlich auch

im Dritten Lager gegeben hat. Verschiedene

Versuche, eine Gründung auf die Beine zu

stellen, und dann den Versuch, den auch ich

für eigentlich erfolgsversprechend angesehen

habe, das auf der Basis der freiheitlichen Partei

zu tun. Mit den Proponenten, die damals

eine Rolle gespielt haben im öffentlichen Leben.

Beginnend auf der einen Seite mit Friedrich

Peter, mit Wilfried Gredler, mit Anton

Reinthaller, Emil van Tongel, die Erfahrung

mitgebracht haben, zum Teil auch aus der 1.

Republik, aber die auch nach 1945 sich auf verschiedenen

Ebenen bemüht haben, eine dritte

Kraft zu bilden.

Der Gründung der FPÖ ist der Zusammenbruch des

VdU vorangegangen – wie war die Stimmung, gab es eine

Aufbruchstimmung oder eine Depression und was wollte

man eigentlich?

Hirnschall: Ich würde das damals im Jahr

1955 noch nicht als Aufbruchsstimmung bezeichnen.

Wir waren natürlich alle noch gezeichnet von

den furchtbaren Auseinandersetzungen, die dem

vorangegangen sind, und es war eine Hoffnung,

die wir gehabt haben. Eine realistische Hoffnung

und den festen Willen, es zu probieren. Auch in

Hinblick auf die im darauffolgenden Jahr zu erwartende

Nationalratswahl, die es erforderlich

gemacht hat, dass sich das Dritte Lager konsolidiert

und organisiert.

Wie war das politische Klima in den 1950er Jahren?

Hirnschall: Das politische Klima in den

1950er-Jahren war gegenüber jeder neuen Kraft,

die sich konstituieren wollte, von Haus aus feindselig

gesinnt – was also die regierenden Parteien

anlangt. Es hat allerdings in der letzten Phase

dann – vor der Nationalratswahl 1949 – seitens

der SPÖ gewisse Versuche gegeben, eine dritte

Kraft eher zu begünstigen, als sie zu verbieten,

aber auch nur aus der Überlegung, der ÖVP schaden

zu können.

Ein Phänomen, das das Dritte Lager begleitet,

sind die innerparteilichen Auseinandersetzungen – beginnend

in den 1950er-Jahren mit dem VdU bis hin

zum heutigen Zeitpunkt (Das Interview wurde 2008

geführt, Anm. d. Red.). Ist diese Streitkultur ein besonderes

Markenzeichen des Dritten Lagers? Welche

Gründe gibt es dafür? Warum werden Streitigkeiten

im Dritten Lager so massiv ausgetragen wie in keinem

der anderen Lager?

Hirnschall: Es ist richtig, dass das Dritte Lager

besonders anfällig ist für diese Auseinandersetzungen

– ideologische Auseinandersetzungen

waren es damals ja vielfach. Aber es war natürlich

auch so, dass jede Partei in ihrer Gründungsphase

Jahre braucht, um hier den Organisationsgrad

zu erreichen, der notwendig ist, um politisch

wirksam zu sein. Wir haben ja auch in den ersten

Jahren bei den Grünen unentwegt Auseinandersetzungen

gehabt, bis sich dort die Verhältnisse

geklärt haben, auch personell geklärt haben. Das

war also auch bei den Grünen eine längere Phase,

die erst dann mit der Wahl des letzten Vorsitzenden

eine gewisse Beruhigung dort erfahren hat.

Aber beim VdU und bei der FPÖ war es in den

ersten Jahren ein ständiges Bild, das sich wieder

gezeigt hat.

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