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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Aggregatzustände des Wissens.<br />

Die Grundlagen der Wissenschaft im Lichte<br />

<strong>Wittgenstein</strong>s Bemerkungen Über Gewißheit<br />

Konstantin Pollok*<br />

<strong>Ludwig</strong> <strong>Wittgenstein</strong> hat in seinen letzten Aufzeichnungen, Über Gewißheit, nicht nur die<br />

Bedeutung unserer unterschiedlichen Weltbilder für das Funktionieren alltäglicher<br />

Sprach-spiele und damit für das menschliche Zurechtfinden in einer sprachlich<br />

geformten Umwelt beschrieben1 . Seine späten Ausführungen lassen sich darüber<br />

hinaus auch fruchtbar machen für ein Funktionsverständnis der Wissenschaften. Mit<br />

folgendem, inzwischen berühmten Bild benennt er das Verhältnis<br />

wissenschaftsbegründender Sätze zu Sätzen der Wissenschaften:<br />

"96. Man könnte sich vorstellen, daß gewisse Sätze von der Form der Erfahrungssätze<br />

erstarrt wären und als Leitung für die nicht erstarrten, flüssigen Erfahrungssätze<br />

funktionierten; und daß sich dies Verhältnis mit der Zeit änder-te,<br />

indem flüssige Sätze erstarrten und feste flüssig würden.<br />

97. Die Mythologie kann wieder in Fluß geraten, das Flußbett der Gedanken<br />

sich verschieben. Aber ich unterscheide zwischen der Bewegung des Wassers<br />

im Flußbett und der Verschiebung dieses; obwohl es eine scharfe Trennung der<br />

beiden nicht gibt.<br />

98. Wenn aber Einer sagte "Also ist auch die Logik eine Erfahrungswissenschaft",<br />

so hätte er unrecht. Aber dies ist richtig, daß der gleiche Satz einmal als<br />

von der Erfahrung zu prüfen, einmal als Regel der Prüfung behandelt wer-den<br />

kann.<br />

99. Ja, das Ufer jenes Flusses besteht zum Teil aus hartem Gestein, das keiner<br />

oder einer unmerkbaren Änderung unterliegt, und teils aus Sand, der bald hier<br />

bald dort weg- und angeschwemmt wird." (<strong>Wittgenstein</strong> 1999, 140)<br />

Zwei kurze Kommentare zu dieser Passage seien gleich zu Anfang vorausgeschickt:<br />

zum ei-nen spricht <strong>Wittgenstein</strong> hier interessanterweise von "hartem Gestein, das keiner<br />

oder einer unmerkbaren Änderung unterliegt". Das Sedimentationsverhalten<br />

wissenschaftlicher und me-ta-wissenschaftlicher Sätze scheint also nur möglich zu sein<br />

auf einer unverrückbaren Unter-lage. Um diese Problematik soll es im folgenden gehen.<br />

Zweitens: man kann sich die Janus-köpfigkeit, von der <strong>Wittgenstein</strong> hier (in § 98) spricht,<br />

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