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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Heinrich Watzka<br />

warum wir denn dies Addieren, jenes Konjugieren nennen, eingestehen muss: "Habe<br />

ich die Begründungen erschöpft, so bin ich nun auf dem harten Felsen angelangt, und<br />

mein Spaten biegt sich zurück. Ich bin dann geneigt zu sagen: ´So handle ich eben.´"<br />

(Philosophische Untersuchungen §217) Wäre es nicht besser und rationaler, dem<br />

Anderen Gründe darreichen zu können, die er verstehen und annehmen kann?<br />

Die ´Stimme der Korrektheit´ ruft ihr alter ego, die ´Stimme der Versuchung´, auf<br />

den Plan. (Zu 1:) "Aber ist ein Begriff mit verschwommenen Rändern überhaupt ein<br />

Begriff?" (§ 71); "Wenn der Begriff ´Spiel´ auf diese Weise unbegrenzt ist, so weißt du<br />

ja eigentlich nicht, was du mit ´Spiel´ meinst" (§ 70). Hat der Interlokutor so unrecht?<br />

(Zu 2:) "So sagst du also, dass die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was<br />

richtig und falsch ist?" (§ 241) Der Einwand kann dann nur noch lauten, dass diese<br />

verquere Sicht die Logik aufhebt (vgl. § 242). "Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim<br />

zu gehen" (§ 108) (Zu 3:) Wenn wir das Wort ´wissen´ gebrauchen, wie es<br />

normalerweise gebraucht wird, dann wissen es Andere zwar sehr oft, dass ich<br />

Schmerzen habe. "Ja, aber doch nicht mit der Sicherheit, mit der ich selbst es weiß!"<br />

(§ 246). "Könnte der das Wort ´Schmerz´ verstehen, der nie Schmerzen gefühlt hat?"<br />

(§ 315) Zugegeben, "nur von dem, was sich benimmt wie ein Mensch, kann man<br />

sagen, dass es Schmerzen hat." (§ 283). Aber lassen sich nicht auch Grenzfälle<br />

ausdenken, in denen ein Mensch sich auffällig maschinenartig oder eine Maschine<br />

verblüffend menschlich benimmt, so dass uns Zweifel kommen? (Zu 4:) "Aber was<br />

Menschen vernünftig oder unvernünftig erscheint, ändert sich. Zu gewissen Zeiten<br />

scheint Menschen etwas vernünftig, was zu andern Zeiten unvernünftig schien. U.u. -<br />

Aber gibt es hier nicht ein objektives Merkmal?" (Über Gewissheit § 336)<br />

Die Versuchung, die sich in solchen Stimmen artikuliert, ist die<br />

erkenntnistheoretische Skepsis, die in ein metaphysisches Projekt einmünden kann,<br />

das es sich zum Ziel setzt, von unseren Sprachspielen unabhängig zu werden und mit<br />

Worten (wie sollte es anders gehen) ein Bild der Welt zu beschwören, das von keiner<br />

menschlichen Perspektive und keiner Begriffswahl mehr verunreinigt ist. In den<br />

Jahren 1929/ 30 war <strong>Wittgenstein</strong> selber dieser Versuchung erlegen, wie folgendes<br />

Räsonnement über den visuellen Raum zeigt: "Der Gesichtsraum so wie er ist hat<br />

seine selbständige Realität. Er selbst enthält kein Subject. Er ist autonom. Er lässt<br />

sich unmittelbar beschreiben (aber wir sind weit davon entfernt eine Ausdrucksweise<br />

zu kennen die ihn beschreibt). Die gewöhnliche physikalische Sprache bezieht sich<br />

auf ihn in einer sehr komplizierten und uns instinktiv bekannten Weise... Die<br />

Betrachtungsweise die gleichsam in einen Talkessel hinunter führt aus dem kein Weg<br />

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