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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Bioethik und das Problem absoluter Werte<br />

Immanuel Kant, den Bereich des Moralischen als den von unbedingten (kategorischen)<br />

Pflichten faßt, wobei der Frage der Handlungskonsequenzen eine sekundäre<br />

Bedeutung beigemessen wird. Nicht persönliche und allgemeine Vorteile, sondern sich<br />

aus rationalen Einsichten ergebende Verpflichtungen sind vorrangig. Das Leben wird als<br />

absoluter und unumstößlicher Wert definiert. Zweitens, eine konsequenzialistische<br />

Ethik, die bei der moralischen Beurteilung von Handlungen auf deren Konsequenzen<br />

abstellt. Der Utilitarismus ist ein prominenter Vertreter konsequenzialistischen Denkens.<br />

Anknüpfend an René Descartes, hat Edmund Husserl in seiner Phänomenologie die<br />

Intuition als das unmittelbare Selbsterscheinen eines Seins definiert, das sich<br />

gleichermaßen als Ding und als Wert zu offenbaren vermag. Max Scheler baute<br />

Husserls Gedanken in seiner sogenannten materialen Wertethik aus. Demnach werden<br />

Werte als unwandelbare Wesenheiten oder Tatsachen gefaßt, die dem moralischen<br />

Subjekt in einer Art Wesensschau, die auf Gefühlen basiert, unmittelbar gegeben sind.<br />

Gemäß diesem Intuitionismus werden die fundamentalen moralischen Tatsachen in<br />

einem Akt direkter Einsicht - einer fundamentalen moralischen Intuition - erkannt. Die<br />

Komplexität moralischer Intuitionen beruht freilich auf erzieherischen und kulturellen<br />

Einflüssen. Das ändert nichts daran, dass wir ohne fundamentale moralische Intuitionen<br />

das Merkmal "moralisch gut" nicht verstünden.<br />

George Edward Moore hat in seinem Buch Principia Ethica das Prädikat "gut" als<br />

eine fundamentale nicht-natürliche Eigenschaft definiert. Seine Bedeutung ist bloß<br />

intuitiv und nicht durch Rückführung auf empirische Eigenschaften erfaßbar. Deshalb<br />

erliegen ethische Konzeptionen, die "gut" durch eine natürliche Eigenschaft ersetzen<br />

wollen - etwa im Utilitarismus durch "lustfördernd" oder "glücklich" - einem Fehlschluß.<br />

Moore bezeichnete die Identifikation einer natürlichen Eigenschaft mit der Eigenschaft<br />

des Guten als "naturalistischen Fehlschluß".<br />

7.<br />

Was bedeutet das vor dem Hintergrund der Handlungsweisen der beiden Stationsärzte<br />

in den genannten Beispielen?<br />

Auf den ersten Blick scheint klar: Beide Stationsärzte rekurrieren auf ihre je eigenen<br />

und ganz persönlichen moralischen Intuitionen. Für die Begründung einer jeden<br />

säkularen Moral hat das Prinzip der Leidminimierung zentrale Bedeutung. Bei Prof. L.<br />

scheint das Prinzip der Leidminimierung dafür bestimmend zu sein, den Angehörigen<br />

eines hirntoten Patienten dessen Bestimmung zum Organspender "zu ihrem eigenen<br />

Besten" zu verheimlichen. Der utilitaristische Gedanke der Leidminimierung bzw.<br />

Glückoptimierung stellt jedoch im strengen Sinn auf einen moralischen Perfektionismus<br />

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