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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Konstantin Pollok<br />

etwa an folgendem Beispiel veran-schaulichen. Der Trägheitssatz und allgemein die<br />

Grundgesetze der Klassischen Mechanik wurden nicht logisch-deduktiv entdeckt,<br />

sondern hatten die Funktion von Hypothesen, die sich an der Erfahrung zu bewähren<br />

hatten. Schließlich verfahren wir aber nun auch umgekehrt, indem wir für<br />

Bewegungserklärungen den Trägheitssatz voraussetzen und die Beschreibung einer<br />

Bewegung, die diesem Satz zuwiderläuft, nicht als Erklärung des entsprechenden<br />

Phänomens akzeptieren.<br />

Mit Rücksicht auf die lapidaren Bemerkungen und nur kargen Ausführungen<br />

Wittgen-steins dazu erscheint es sinnvoll, (1) die Begründungsproblematik kurz von<br />

ihrem histori-schen Ausgang bei Kant her zu profilieren, um anschließend in einem<br />

zweiten Schritt (2) über den aktuellen Ansatz Michael Friedmans zu einem besseren<br />

Verständnis von <strong>Wittgenstein</strong>s Ansicht und damit der Begründungsproblematik selbst zu<br />

gelangen. Dabei wird sich Wittgen-steins Konzept der Mythologie, d. h. der<br />

alltagsprachlichen Überformung wissenschaftlicher Kontexte, als den genannten<br />

Konzeptionen überlegen erweisen.<br />

1.Kant und die Anfangsgründe der Naturwissenschaft<br />

Immanuel Kant ist der erste Philosoph, der hinsichtlich der Wissenschaft und deren<br />

Legitima-tion eine scharfe Trennung vornimmt. Noch in Descartes' Principia<br />

Philosophiae von 1644 finden sich neben einer Reflexion logischer Axiome2 auch<br />

Reflexionen zur Willensproblema-tik sowie Abhandlungen zum Magnetismus und den<br />

physiologischen Differenzen von Sinnesempfindungen. 3 Ein weites Spektrum - unter<br />

dem Titel Principia Philosophiae. Kant dagegen trennt nicht nur die Erkenntnis- von der<br />

Willensproblematik und damit theoretische von prak-tischer Philosophie. Kant trennt<br />

auch messerscharf zwischen prima philosophia und Physik. Erstere heißt bei ihm<br />

schließlich Transzendentalphilosophie und verfährt ausschließlich aprio-risch, die<br />

Physik hingegen enthält neben Metaphysik und Mathematik auch induktive Mo-mente<br />

und verfährt in diesem Sinne empirisch. Erst mit dieser Trennung zwischen nicht-reiner<br />

Gegenstandsphilosophie und reiner Erkenntnislehre gewinnt das Thema einer<br />

Wissenschafts-begründung Brisanz. 4 Denn aus Kantischer Perspektive markiert die<br />

erstere, also die Trans-zendentalphilosophie, den Legitimationskontext, in dem die<br />

apriorischen Bedingungen, ge-nauer, die epistemischen Konstitutionsleistungen<br />

verzeichnet werden, die notwendig sind zur rationalen Begründung der Wissenschaften.<br />

Doch Kant hat sich nicht nur um die Anfangsgründe des Wissens bzw. der<br />

Erkenntnis im allgemeinen, also die (transzendental-)logischen Voraussetzungen der<br />

Welterkenntnis, bemüht, sondern er hat ein eigenständiges Werk zum Übergang von der<br />

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