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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Konstantin Pollok<br />

hinsichtlich des Begründungsproblems als <strong>Wittgenstein</strong> - und scheitert genau hier mit<br />

seiner Lösung. Kant versinkt sozusagen im Schlick des Flußufers.<br />

Die Begründung dafür liegt in folgendem: Die Wissenschaft, deren Begründung<br />

Kants Transzendentalphilosophie und Metaphysik der Natur liefern sollen, ist diejenige<br />

seiner Zeit - etwas pauschal gesagt, die Newtonische Physik. 7 Es ist in dieser Hinsicht<br />

jedoch nicht nur zweifelhaft, ob die Kantischen Bestimmungen unter Bedingungen einer<br />

relativistischen Phy-sik Gültigkeit besitzen. Die Problematik beginnt vielmehr schon<br />

früher, nämlich bei der zu Kants Lebzeiten aufblühenden Chemie und der in der<br />

Folgezeit entstehenden wissenschaftli-chen Biologie. Und eine Stufe grundlegender: die<br />

Naturwissenschaft hat im ausgehenden 18. Jh. definitiv den atomistischen Weg<br />

eingeschlagen, gegen den Kant sich gerade entschieden hatte. Daneben haben die<br />

wichtigsten Forschungsgebiete der nachfolgenden Ära, die Elektri-zitäts- und die<br />

Wärmelehre, durch die Kantischen Anfangsgründe keine dem newtonischen Ideal<br />

entsprechende theoretische Basis erhalten.<br />

Neben diesem Scheitern an der Kompatibilität der Wissenschaftsbegründung mit<br />

der Wissenschaft selbst ergibt sich im gegenwärtigen Kontext jedoch noch ein weiteres<br />

unüber-windbares Problem für die Kantische Grundlagentheorie. Denn neben der<br />

zeitgenössischen Naturwissenschaft ist Kants Orientierung an der Vernunftkritik der<br />

zweite Pol des Span-nungsfeldes, in dem seine Wissenschaftsbegründung steht - oder<br />

eben fällt. Wenn nun, wie allgemein zugestanden, Kants allgemeine Erkenntnistheorie,<br />

sein transzendentaler Idealismus mit der Trennung eines mundus intelligibilis von einem<br />

mundus sensibilis, eingehender Kritik nicht standhält, so sind eben nicht einmal die<br />

tieferen Schichten des Flußbettes aus "hartem Gestein, das keiner oder einer<br />

unmerkbaren Änderung unterliegt". Allgemein: Daß die "Kris-tallreinheit" der Vernunft,<br />

oder genauer, der Transzendentalen Logik, nur eine Forderung sein konnte, lag<br />

außerhalb des Kantischen Gesichtsfeldes. 8<br />

2.Friedmans Konzept einer Dynamics of Reason und<br />

<strong>Wittgenstein</strong>s Fluß der Erkenntnis<br />

Ausgehend von Kant setzen an dieser Stelle, wenngleich in größerer Perspektive,<br />

Michael Friedmans systematische Reflexionen zum Begründungsproblem der<br />

Wissenschaften ein: Die konstitutiven Prinzipien, mit denen Kant das raum-zeitliche<br />

Gerüst der empirischen Naturwis-senschaft errichtet hat, müssen als ebenso dynamisch<br />

und historisch bedingt angesehen wer-den wie diese mathematisch-physikalische<br />

Naturwissenschaft selbst.<br />

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