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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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<strong>Wittgenstein</strong> und Kant zur Metaphysik<br />

der Korrektheit´ als fundamentale Tatsachen unserer Grammatik vor Augen führt, lässt<br />

in der Tat Zweifel aufkommen. Ich möchte einige Beispiele herausgreifen: (1) Wir<br />

kennen die Bedeutung eines Worts. Dies heißt aber nicht, dass die Projektion dieses<br />

Worts in neue Kontexte durch irgendetwas gestützt wäre, weder durch Universalien<br />

noch durch Regeln einer Tiefengrammatik. "We learn and teach words in certain<br />

contexts, and then we are expected, and expect others, to be able to project them into<br />

further contexts. Nothing insures that this projection will take place (...not the grasping<br />

of universals nor the grasping of books of rules), just as nothing insures that we will<br />

make, and understand, the same projections" (Cavell 1976, 52). (2) Die Kriterien, auf<br />

die sich der ´Philosoph der normalen Sprache´ beruft, um den ´Sprachgebrauch der<br />

Philosophen´ zu kritisieren, setzen voraus, dass wir im Gebrauch der relevanten<br />

Ausdrücke übereinstimmen. Der Streit war aber gerade deswegen ausgebrochen, weil<br />

wir in unserem Sprachgebrauch in der relevanten Hinsicht nicht übereinstimmen.<br />

"Disagreement about our criteria, or the possibility of disagreement, is as fundamental<br />

a topic in <strong>Wittgenstein</strong> as the eliciting of criteria itself" (Cavell 1979, 18). (3) Die<br />

Kriterien, mittels derer wir in vielen Fällen ´wissen´ können, ´dass der Andere<br />

Schmerzen hat´, sind nur auf das anwendbar, was lebt und Empfindungen hat. Das<br />

´Paradigma´ der Kriterien im Fall der psychologischen Wörter ist das ´Lebende´, nicht<br />

das ´Unbelebte´ (vgl. Philosophische Untersuchungen §281). Ob etwas dieses<br />

Paradigma erfüllt oder nicht, ob es ein Organismus oder ein Automat ist - dafür<br />

existieren keine Kriterien. (4) Wenn Weltbilder kollidieren, können wir die anderen nur<br />

von unserem Weltbild aus kritisieren. Gerade dann, wenn wir nicht relativistisch<br />

eingestellt sind und für die Korrektheit unserer Auffassung kämpfen, d.h.<br />

argumentieren, wird uns die Relativität unserer Auffassungen am schmerzlichsten<br />

bewusst. Beispielhaft für diesen Konflikt ist ein kurzer Dialog in Über Gewissheit:<br />

"Angenommen, wir träfen Leute, die das nicht als triftigen Grund betrachten...<br />

[Gemeint sind Menschen, die Induktion nicht als Argument gelten lassen] Sie befragen<br />

statt des Physikers ein Orakel... Ist es falsch, dass sie ein Orakel befragen und sich<br />

nach ihm richten? - [Eine zweite Stimme:] Wenn wir dies ´falsch´ nennen, gehen wir<br />

nicht schon von unserem Sprachspiel aus und bekämpfen das ihre?" (§ 609). "Und<br />

haben wir recht oder unrecht darin, dass wir´s bekämpfen? Man wird freilich unser<br />

Vorgehen mit allerlei Schlagwörtern (Slogans) aufstützen." (§ 610) <strong>Wittgenstein</strong> stellt<br />

klar, dass er den Anderen bekämpfen würde. Er ist zwar kein Relativist, ist sich aber<br />

der Schwierigkeit bewusst, dass ´Gründe´ den Anderen nicht in jedem Fall<br />

überzeugen werden. "Am Ende der Gründe steht die Überredung." (§ 612) Der Fall<br />

gleicht der Verlegenheit eines Lehrers, der seines Schülern gegenüber, gefragt,<br />

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