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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Monika Wogrolly-Maani<br />

(Lähmungen, Bewußtseinsstörungen, Hilflosigkeit) um seiner selbst willen mit<br />

intensivmedizinischen Mitteln zu erhalten, hält es Prof. L. für seine moralische Aufgabe,<br />

menschliches Leid möglichst gering zu halten und fast nur von Leid und Hilflosigkeit<br />

geprägtes Menschenleben unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben so kurz wie möglich<br />

zu halten. So verzichtet auch letzterer viel häufiger als ersterer auf die Möglichkeit der<br />

Reanimation und setzt schwerstkranke Patienten eher auf Minimaltherapie<br />

(Beschränkung therapeutischer Maßnahmen auf Flüssigkeitszufuhr) als sein Kollege.<br />

5.<br />

Beherzigt man den implizit erteilten Ratschlag <strong>Wittgenstein</strong>s zur sprachlichen<br />

Enthaltsamkeit und den Verweis auf das Sich-Zeigen der Ethik im individuellen Handeln,<br />

in der Aktion, müßte man jedes Unterfangen, die ärztlichen Verhaltensweisen über das<br />

in den Handlungen zum Ausdruck gebrachte Individuelle hinaus zu positionieren, als<br />

unsinnig verwerfen. So gesehen führte eine Diskussion über "moralisch angemessenes"<br />

oder "moralisch gutes" Verhalten hinsichtlich der Aufklärung oder Nicht-Aufklärung von<br />

Angehörigen hirntoter Organspender (Auszug 1) und des Einsatzes lebenserhaltender<br />

Maßnahmen bei schwerstkranken Intensivpatienten (Auszug 2) zu keinem sinnvollen<br />

Ergebnis. Die beiden Stationsärzte vertreten unterschiedliche Standpunkte im Umgang<br />

mit ihren Patienten und deren Angehörigen und begreifen auch "Moral" und ihren<br />

"moralischen Auftrag" kontroversiell. Ob und welche Normen hier gelten sollen, kann<br />

nicht auf dem Weg einer begrifflichen Analyse, sondern nur im Rahmen einer<br />

normativen Ethik beantwortet werden.<br />

6.<br />

In der Ethik geht es schlechthin um Maßstäbe und Richtlinien, auf Grund welcher wir<br />

menschliches Handeln als richtig oder falsch beurteilen und von denen wir glauben,<br />

dass die Menschen sie beachten sollten, um das Richtige zu tun und ihr Leben<br />

angemessen zu gestalten. Die Ethik der Neuzeit kennt verschiedene Maßstäbe des<br />

richtigen Handelns. Neben dem rationalen Selbstinteresse einzelner Personen stehen<br />

das Gemeinwohl einer Gesellschaft und die universelle alllgemein verbindliche Moral.<br />

Der Begriff "Moral" wird hier als alldas gefaßt, worüber die Ethik räsoniert und reflektiert.<br />

Freilich ist jede Moral in dem Sinne subjektiv, dass ihre Normen der subjektiven<br />

Anerkennung bedürfen. Moralische Normen haben soziale Geltung nur dann und<br />

insoweit, wenn und soweit über sie Einigkeit herrscht.<br />

Stark vereinfacht, lassen sich im weltweiten bioethischen Diskurs zwei<br />

Hauptströmungen ausmachen: Erstens, eine deontologische Ethik, die, inspiriert von<br />

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