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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Monika Wogrolly-Maani<br />

Auszug 1<br />

2.<br />

Frau E, 38 Jahre, österreichische Staatsbürgerin<br />

Drei Tage vor der Aufnahme leidet Frau E unter heftigen Kopfschmerzen, die sich<br />

nicht bessern. Der Hausarzt schickt sie daher am dritten Tag zum Neurologen, der eine<br />

Computertomographie veranlaßt. Diese ergibt den dringenden Verdacht auf eine<br />

Gefäßaussackung im Gehirn (Aneurysma). Anschließend erfolgt die Aufnahme an der<br />

Neurochirurgie. Die Patientin wird noch am selben Tag angiographiert, wobei sich ein<br />

operativ schwer zugängliches Aneurysma (Ohthalmica-Aneurysma) zeigt. Die<br />

Embolisationsbehandlung wird für den folgenden Tag vereinbart, kann aber zugunsten<br />

anderer Patienten nicht durchgeführt werden. Daraufhin wird die Behandlung auf einen<br />

Termin in zwei Tagen verlegt, zumal sich die zuständigen Ärzte derzeit auf Urlaub<br />

befinden. Frau E erleidet noch in derselben Nacht eine massive Nachblutung und<br />

verbleibt in tief komatösem Zustand.<br />

Nachdem der Hirntod von Frau E festgestellt, und das Transplantationsteam<br />

informiert worden ist, erscheinen die Angehörigen zu Mittag, um, wie sich vermuten läßt,<br />

von der Patientin Abschied zu nehmen. Sie werden nicht über die bevorstehende<br />

Explantation aufgeklärt. Die Organentnahme ist nach Abschluß aller Untersuchungen<br />

und Freiwerden eines geeigneten Anästhesisten für 18 Uhr 20 vorgesehen. Alle<br />

entsprechenden Papiere werden bereits vor dieser Zeit fertiggestellt. Letztlich verzögert<br />

sich der Abtransport von Frau E aus der Intensivstation jedoch um etwa 20 Minuten.<br />

Gerade als der Anästhesist zum Abtransport erscheint, kündigt eine Schwester die<br />

Ankunft der Angehörigen an. Frau E wird quasi durch die Hintertür aus der Station<br />

gebracht, die Angehörigen vom Stationsarzt Prof. L. über den eben erfolgten Tod der<br />

Patientin informiert.<br />

3.<br />

Die vorliegende Problematik sei kurz zusammengefaßt: Die in Österreich geltende<br />

gesetzliche Widerspruchslösung setzt bei nicht zu Lebzeiten getroffenem Widerspruch<br />

gegen Organentnahme stillschweigend eine Zustimmung voraus. Vor diesem<br />

Hintergrund stehen dem befaßten Arzt im Falle eines Patienten, bei dem der irreversible<br />

Ausfall der Stammhirntätigkeit ("Hirntod") festgestellt wurde, mit oder ohne<br />

Einbeziehung der Angehörigen, die Möglichkeiten offen, entweder a) den hirntoten<br />

Patienten zum Spender zu konditionieren, oder b) vom Respirator zu diskonnektieren.<br />

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