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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Aggregatzustände des Wissens.<br />

Die Grundlagen der Wissenschaft im Lichte <strong>Wittgenstein</strong>s Bemerkungen Über Gewißheit<br />

In Fortführung des Kantischen Begründungsprojekts, aber auch anknüpfend an<br />

Autoren wie Helmholtz, Reichenbach, Schlick, Carnap, Quine und Kuhn entwirft<br />

Friedman ein dynamisches Modell einer Wissenschaftstheorie bzw. Soziologie des<br />

Wissens. Für meine gegenwärtigen Zwecke ist vor allem ein Aspekt in Friedmans<br />

Konzeption einer solchen Dynamics of Reason von zentraler Bedeutung. Es geht um die<br />

jeweilige Gewißheit innerhalb der von Friedman ausgemachten drei Schichten<br />

wissenschaftlicher Erkenntnis.<br />

Mit Kuhn geht Friedman davon aus, daß es in der Wissenschaft - und zwar in ihr im<br />

Gegensatz zu anderen Bereichen des intellektuellen und kulturellen Lebens - Perioden<br />

eines starken Konsenses gibt, in welchen ein bestimmtes Paradigma, ein begriffliches<br />

Rahmenwerk, von allen Teilnehmern der entsprechenden Disziplin akzeptiert wird. 9<br />

Neben diesen ruhigen Zeiten ‚normaler Wissenschaft' sind historisch jedoch auch Zeiten<br />

wissenschaftlicher Umbrü-che zu beobachten, die durch auftretende Anomalien und<br />

nachfolgende Krisen innerhalb eines bestehenden Paradigmas verursacht werden und<br />

zu den berühmten Paradigmenwechseln füh-ren, bei denen das bestehende begriffliche<br />

Gerüst einer Wissenschaft durch ein neues ersetzt wird.<br />

Im erklärten Gegensatz zu Kuhn bezieht Friedman jedoch die Philosophie in die<br />

struk-turierte Dynamik der Wissenschaft mit ein. Man muß demnach zur korrekten<br />

Beschreibung des Wissenschaftsprozesses Kuhns zweiteiliges Modell von normaler und<br />

revolutionärer Wis-senschaft ersetzen durch ein dreiteiliges. Diese Ergänzung ist<br />

deshalb erforderlich, weil eine wissenschaftliche Revolution, der Übergang zu einem<br />

neuen Paradigma, unverständlich bleibt, solange man nicht die parallelen<br />

Entwicklungen in der Philosophie berücksichtigt; letz-tere sind entscheidender als die<br />

von Kuhn geltend gemachten irrationalen ‚Konversionserfah-rungen'. Auf dieser<br />

Metaebene der Philosophie selbst gibt es keine Paradigmenwechsel, da in der<br />

Philosophie ohnehin niemals ein allgemein akzeptierter Standard existiert. Vielmehr<br />

kommt von dieser philosophischen Metaebene häufig der Anstoß zu einem wirklichen<br />

Para-digmenwechsel auf der Wissenschaftsebene.<br />

Die wesentliche Charakterisierung nimmt Friedman nun hinsichtlich der Gewißheit<br />

der drei Schichten vor:<br />

"None of these three levels [normal science, revolutionary science, and the<br />

philosophical articulation of paradigms] are fixed and unrevisable [...]. The<br />

various strata or levels in our total evolving and interacting system of beliefs are<br />

thus not distinguished by differing degrees of epistemic security at all - neither<br />

by differing degrees of centrality and entrenchment in the sense of Quine nor by<br />

differing degrees of certainty in the more traditional sense - but rather by their<br />

radically different functions or roles within the never ending, and often entirely<br />

unpredictable advance of science as a whole." (Friedman 1998, II 16)<br />

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