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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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<strong>Wittgenstein</strong>s Beitrag zur modernen Konzeption der narrativen Identität...<br />

Insgesamt stellt die Gleichbehandlung von innerer und äußerer Erfahrung für<br />

<strong>Wittgenstein</strong> wie für Ryle einen Kategorienfehler dar. Es handelt sich um eine<br />

Verwechslung zweier verschiedener Sprachspiele (PU 290). Man glaubt, die inneren<br />

Vorgänge wie die äußeren beobachten und beschreiben zu können. Ricœur hält<br />

<strong>Wittgenstein</strong> zugute, dieses "kontemplative" Vorurteil entlarvt zu haben, das die Suche<br />

nach den inneren Ereignissen nährte. 7 Am Beispiel der Verwendung des Begriffs<br />

"Absicht" verdeutlicht <strong>Wittgenstein</strong> die Schwierigkeiten, in die man sich begibt, wenn<br />

man unter Absicht ein inneres Erlebnis versteht ( PU 641ff.).<br />

Wenn aber der Status mentaler Ereignisse unklar ist, inwiefern kann dann noch von<br />

personaler Identität gesprochen werden? Dies ist ein echtes Problem, denn viele<br />

Theorien personaler Identität gehen von einer Einheit des Bewußtseins aus, die durch<br />

die Identität eines Ich und die Kontinuität seiner Bewußtseinszustände garantiert werden<br />

soll. Zunächst verdeutlicht <strong>Wittgenstein</strong>, wie schwierig es ist, eindeutige Kriterien für<br />

Identität anzugeben:<br />

PU 404 Worauf ich hinaus will? Darauf, daß es sehr verschiedene<br />

Kriterien der >Identität< der Person gibt.<br />

Nun, welches ist es, das mich bestimmt, zu sagen, >ich< habe<br />

Schmerzen? Gar keins.<br />

Hervorgehoben werden auch die Probleme, die mit der Annahme einer<br />

kontinuierlichen Bewußtseinswelt einer Person verbunden sind, wie sie für ihre Identität<br />

vorausgesetzt werden muß:<br />

PU 640 “Dieser Gedanke knüpft an Gedanken an, die ich früher einmal<br />

gehabt habe.”- Wie tut er das? Durch ein Gefühl der Anknüpfung?<br />

Aber wie kann das Gefühl die Gedanken wirklich verknüpfen?<br />

Sobald die zeitliche Dimension der Identität als Beständigkeit in der Zeit<br />

berücksichtigt werden soll, gerät man mit einem falsch verstandenen Identitätsbegriff in<br />

Paradoxien, wie Ricœur sie z.B. bei Locke und Hume gefunden hat. 8<br />

Ricœur hebt <strong>Wittgenstein</strong>s Entdeckung der "Aporie der Verankerung" hervor: Das<br />

Subjekt kann nicht Gegenstand der Erfahrung werden, da es die Grenze der Welt und<br />

nicht einer ihrer Inhalte ist. Durch die Zuschreibung eines Eigennamens an den Träger<br />

der Rede jedoch erscheint das Ego des Äußerungsaktes in der Welt. 9<br />

Durch die Aufhebung des strikten Dualismus und den Nachweis, es sei unmöglich,<br />

mentale Ereignisse ohne Sprache zu identifizieren, trägt <strong>Wittgenstein</strong> dazu bei, die<br />

Diskussion um die personale Identität in eine neue Richtung zu lenken, wie sie Ricœur<br />

mit seiner narrativen Konzeption personaler Identität einschlägt. Doch wenden wir uns<br />

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