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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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<strong>Wittgenstein</strong>s Beitrag zur modernen Konzeption der narrativen Identität...<br />

vertreten. Danach wäre eine Privatsprache möglich: Ein souveränes Bewußtsein<br />

konstituiert nicht nur seine Vorstellungen, sondern auch deren Bezeichnungen.<br />

Um <strong>Wittgenstein</strong>s Analysen bezüglich des Zusammenhangs von Sprechen und<br />

Denken besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, sich einen ähnlichen Standpunkt<br />

anzusehen, den Humboldts nämlich, da uns hier eine systematische Darstellung<br />

vorliegt. Humboldt ist einer der ersten, der im Anschluß an Kants<br />

Transzendentalphilosophie der Sprache eine konstitutive Rolle bei der Bildung von<br />

Gedanken einräumt. Die Sprache ist nach Humboldt von Anfang an als Typus im<br />

Verstand vorhanden. 3 Damit sind menschliches Bewußtsein und menschliche Sprache<br />

untrennbar miteinander verbunden. Da das durch die ganze Sprache herrschende<br />

Prinzip für Humboldt die Artikulation ist, diese an Laute gebunden, mithin materiell ist,<br />

ist der seit Descartes unterstellte strikte Dualismus zwischen geistigem und materiellem<br />

Bereich überwunden. Denn wenn das Denken an die Sprache geknüpft ist, diese aber<br />

eine geistige (den Begriff) und eine materielle Seite (den Laut, das Wort) hat, so kann<br />

man das Denken nicht länger als rein geistig bezeichnen. 4<br />

Die gedankenbildende Kraft der Sprache stellt Humboldt im Verfahren der Sprache<br />

dar. Zunächst reißt sich aus dem synthetisierenden Akt der Sinnlichkeit und des Geistes<br />

die Vorstellung los. Sie ist aber noch undeutlich. Zum Begriff wird sie erst mittels der<br />

Bezeichnung durch das Wort. Das Wort kann jedoch nur als objektiv empfunden<br />

werden, wenn es als artikulierter Laut zum Subjekt zurückdringt. Für Humboldt ist dies<br />

aber eine Schein-Objektivität. Wirkliche Objektivität erhält der Gedanke erst, wenn er<br />

aus einer fremden Denkkraft, einem Du, zum Ich zurückstrahlt. 5<br />

Hier wird deutlich, daß Sprache für Humboldt immer intersubjektiv vermittelt ist und<br />

daher den großen Übergangspunkt von der Subjektivität zur Objektivität darstellt. Da es<br />

nach seinen Überlegungen keine sprachunabhängigen Gedanken gibt, ist weder eine<br />

Privatsprache noch ein streng solipsistisches Bewußtsein möglich.<br />

<strong>Wittgenstein</strong>s Ausführungen gehen in die gleiche Richtung. So lehnt er es ab, von<br />

einer sprachlichen Bezeichnung fertiger mentaler Ereignisse zu sprechen. Es erhärtet<br />

sich der Eindruck, daß er wie Humboldt der Sprache eine konstitutive Rolle bezüglich<br />

der Bildung mentaler Ereignisse zugesteht, wobei die Konstitution sich nicht auf die<br />

Existenz, sondern die Bedeutung solcher Ereignisse bezieht.<br />

PU 318 [...] der Gedanke erscheint hier vom Ausdruck nicht abgelöst.<br />

PU 329 Wenn ich in der Sprache denke, so schweben mir nicht neben<br />

dem sprachlichen Ausdruck noch >Bedeutungen< vor; sondern<br />

die Sprache selbst ist das Vehikel des Denkens.<br />

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