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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Aggregatzustände des Wissens.<br />

Die Grundlagen der Wissenschaft im Lichte <strong>Wittgenstein</strong>s Bemerkungen Über Gewißheit<br />

Epistemologie zur Physik, also zur Begründung der Naturwissenschaft, geschrieben, die<br />

Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft von 1786.<br />

Materie und Bewegung - das sind nicht nur die Elemente von <strong>Wittgenstein</strong>s<br />

Wissens-metapher. Materie und Bewegung sind auch die zentralen Begriffe dieser<br />

Kantischen Schrift. An ihnen demonstriert der Königsberger Philosoph, daß sich<br />

wirkliche Erkenntnis auf die Gegenstände der äußeren Sinne beschränkt. 5 Daneben<br />

beschreibt Kant dieses Werk aber auch als einen exemplarischen Fall dafür, die<br />

Tragweite der Vernunftkritik zu demonstrieren. Die Metaphysischen Anfangsgründe<br />

sollen dazu dienen, "den Begriffen und Lehrsätzen der Transzendentalphilosophie, d. h.<br />

einer bloßen Gedankenform, Sinn und Bedeutung unterzulegen" 6 , d. h. die Analyse der<br />

Begriffe der Materie sowie der Bewegung geschieht entlang der Kategorien und<br />

Grundsätze, wie Kant sie in der Kritik der reinen Vernunft eingeführt hatte.<br />

Die Metaphysischen Anfangsgründe stehen damit in einem Spannungsfeld<br />

zwischen einerseits allgemeiner Erkenntnistheorie und andererseits empirischer<br />

Naturwissenschaft. Sie sind mit beiden verbunden und gehören keiner der beiden an -<br />

oder, um in <strong>Wittgenstein</strong>s Bild zu bleiben: sie gleichen dem Sand, der stellenweise das<br />

Flußbett bildet und stellenweise selbst in Fließbewegung ist. Dieses Spannungsfeld muß<br />

nun folgendermaßen präzisiert werden.<br />

Einerseits: die Materietheorie dieser Kantischen Schrift steht in unmittelbarem Zusammenhang<br />

mit den allgemeinen theoretischen Fundamenten menschlichen Wissens.<br />

Die Ergebnisse der Metaphysischen Anfangsgründe sollen den transzendentalen<br />

Begriffen Sinn und Bedeutung verschaffen und genau zu diesem Zweck stellt Kant eine<br />

Verbindung zur ma-thematischen Naturwissenschaft her. - Damit ist im übrigen auch die<br />

schließlich von Witt-genstein ausgemachte und eingangs angesprochene<br />

Janusköpfigkeit mancher wissenschafts-theoretischer Theoreme verbunden. Denn Kant<br />

will nicht nur der wandelbaren Wissenschaft ein Flußbett bereiten, d. h. die<br />

Naturwissenschaft in der Metaphysik verankern, sondern es gilt ihm auch umgekehrt als<br />

selbstverständlich, daß metaphysische bzw. erkenntnistheoretische Grundsätze<br />

bedeutungslos bleiben, solange sie nicht an empirisches Wissen geknüpft werden<br />

können. Von hier aus gesehen lautet die Grundeinsicht der Kantischen Philosophie<br />

geradezu: ein Flußbett ohne Fluß hat keine Bedeutung.<br />

Andererseits müssen Anfangsgründe der Naturwissenschaft natürlich Rücksicht<br />

nehmen auf die empirischen Ergebnisse der Naturwissenschaft selbst, sonst wird<br />

eventuell eine Brücke begonnen, ohne auf der anderen Seite der Kluft auf die<br />

Fortsetzung des Weges zu treffen. Diese genuin naturwissenschaftlichen Begriffe<br />

tauchen in den Metaphysischen Anfangsgründen zwar (fast) ausschließlich an den<br />

Rändern der Theorie auf. Doch immerhin wird Kant dabei wesentlich konkreter<br />

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