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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Aggregatzustände des Wissens.<br />

Die Grundlagen der Wissenschaft im Lichte <strong>Wittgenstein</strong>s Bemerkungen Über Gewißheit<br />

- Gerade die Fragestellungen, die sich aus unseren Weltbildern ergeben, waren und<br />

sind aber zugleich auch der Nährboden jeglicher Wissenschaft. Wissenschaftliche<br />

Wandlungen ruhen damit auf dem Fundament alltagsprachlich verfaßter,<br />

lebensweltlicher Überzeugungen. Und von diesen sagt <strong>Wittgenstein</strong> lapidar:<br />

"670. Man könnte von Grundprinzipien menschlicher Forschung reden." 13<br />

Doch auch in <strong>Wittgenstein</strong>s Bild vom eingebetteten Fluß der Erkenntnis bleiben<br />

wesentliche Elemente ungeklärt, von denen hier abschließend nur zwei genannt werden<br />

sollen: (I) Wie hat man sich konkret, d. h. jenseits der Metaphorik, den Vorgang der<br />

‚Sedimentierung' von Er-fahrungssätzen in der Kontrollschicht vorzustellen? 14 (II) Als<br />

Beschreibung des dynamischen Verhältnisses zwischen Wissenschaft und deren<br />

Grundlagen kann das Bild <strong>Wittgenstein</strong>s in mancher Hinsicht gut dienen. Wie daraus<br />

aber eine normative Theorie zur Begründung von Wissenschaft, d. h. eine<br />

Entscheidungsinstanz für konkurrierende wissenschaftliche Theore-me, zu entwerfen<br />

ist, bleibt weiterhin unklar. Denn es besteht folgendes Dilemma: (i) entwe-der eine<br />

Begründungstheorie - oder mit <strong>Wittgenstein</strong> formuliert: ein philosophisch reflektier-tes<br />

Weltbild - ist sehr spezifisch und intensional sehr reich. Eine solche Theorie trifft damit<br />

exakt die Probleme, die in der jeweiligen (zeitvarianten) Wissenschaft angesprochen<br />

werden. Oder aber (ii) eine Begründungstheorie ist sehr allgemein und trifft damit<br />

extensional einen großen Ausschnitt der Wissenschaft, im Idealfall das Totum des<br />

mathematisch-empirischen Wissens; der feste Grund des Flußbettes würde hier<br />

beispielsweise durch Postulate der Kohä-renz, Konsistenz oder Simplizität gebildet. 15<br />

Beide Vorzüge aber schließen sich aus, denn im ersten Fall, den ich exemplarisch an<br />

Kant demonstriert habe, müssen viele Phänomene zu-sammenhangslos und damit<br />

unbegründet bleiben. Im zweiten Fall trifft die Begründungstheo-rie nicht die<br />

spezifischen Probleme der Wissenschaften, da sie als mathematisch-logische Begründung<br />

im Extremfall Theorien zu erklären vermag, die sich ihrerseits widersprechen.<br />

Sie ist also zu allgemein, um zwischen konkurrierenden Auffassungen entscheiden zu<br />

können. - <strong>Wittgenstein</strong> hat vor 50 Jahren auf die Verbindungen zwischen Wissenschaft<br />

und vor-wissenschaftlichem Weltbild aufmerksam gemacht. Diese Verbindungen<br />

konkret zu beschrei-ben, ist eine Aufgabe, die zu den interessantesten Erbstücken<br />

seines Denkens gehört; die Brü-cke von den "Grundprinzipien menschlicher Forschung"<br />

zur Forschung selbst ist noch nicht geschlagen.<br />

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