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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Heinrich Watzka<br />

Sprachspiele. Dieser Lesart gemäß stimmen wir in der Anwendung unserer Wörter,<br />

d.h. in unseren Urteilen, überein, weil wir nach denselben Regeln handeln. Die<br />

Übereinstimmung in den Kriterien scheint die Bedingung für die Übereinstimmung in<br />

den Urteilen zu sein, während es in den Philosophischen Untersuchungen tatsächlich<br />

so aussieht, als ob unsere Fähigkeit, Kriterien zu formulieren, davon abhängig ist,<br />

dass wir vorgängig in unseren Urteilen übereinstimmen. In dieser Weise jedenfalls<br />

liest Cavell § 242 der Untersuchungen: "Zur Verständigung durch die Sprache gehört<br />

nicht nur eine Übereinstimmung in den Definitionen, sondern (so seltsam dies klingen<br />

mag), eine Übereinstimmung in den Urteilen" (Cavell 1979, 30). Die Übereinstimmung<br />

in den Urteilen hat in diesem Sinne keine Grundlage. Die Kriterien, die wir innerhalb<br />

unserer philosophischen Klärungsarbeit heranziehen, setzen eine gewisse<br />

Übereinstimmung im Urteilen (und Handeln) voraus, sie begründen nicht diese<br />

Übereinstimmung.<br />

Es ist laut Cavell nun wichtig zu sehen, dass die Unzufriedenheit mit unseren<br />

Kriterien in den Philosophischen Untersuchungen ebenso Spuren hinterlassen hat wie<br />

der selbstverständliche Rekurs auf Kriterien, auf die ´Art und Weise, wie wir die Wörter<br />

gebrauchen´. Dieser Rekurs steht für die Orthodoxie der ´ordinary language<br />

philosophy´. <strong>Wittgenstein</strong> ist in diesem Sinne nicht ganz orthodox, oder nicht so<br />

orthodox wie Austin. Cavell schreibt: "It is exactly as important to <strong>Wittgenstein</strong> to trace<br />

the disappointment with and repudiation of criteria... as to trace our attunements in<br />

them... The human capacity - and the drive - both to affirm and to deny our criteria<br />

constitutes the argument of the ordinary. And to trace the disappointment with criteria<br />

is to trace the aspiration to the sublime - the image of the skeptic´s progress." (Cavell<br />

1990, 92) Cavell liest die Philosophischen Untersuchungen als mehrstimmigen Dialog,<br />

in dem zwei Antagonisten die Hauptrolle spielen, die "Stimme der Versuchung" und die<br />

"Stimme der Korrektheit" (Cavell 1976, 71). Beide Stimmen setzen einander voraus,<br />

d.h. sie benötigen einander. Die eine wäre nicht ohne die andere möglich. Cavell hat<br />

noch andere Namen für diese Stimmen: "...the voices of melancholy and merriment,<br />

or of metaphysics and the ordinary" (Cavell 1995, 136). Beide Stimmen vertreten<br />

Argumente, die der Autor der Philosophischen Untersuchungen unentschieden<br />

nebeneinander stehen lässt. Die Perspektive auf beide Stimmen ist keine weitere<br />

Stimme mehr. <strong>Wittgenstein</strong> möchte in seiner Philosophie nicht Partei ergreifen oder<br />

Argumente gewichten.<br />

Der Metaphysiker in <strong>Wittgenstein</strong>s Spätphilosophie ist der Skeptiker, der der<br />

´Stimme der Versuchung´ erlegen ist. Hat er Gründe gehabt? Was uns die ´Stimme<br />

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