09.10.2013 Views

Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

<strong>Wittgenstein</strong> und Kant zur Metaphysik<br />

Heinrich Watzka<br />

Kants Stellung zur Metaphysik ist zugegebenermaßen komplex. In der Kritik der<br />

reinen Vernunft lassen sich mindestens drei Argumentationslinien unterscheiden:<br />

Logik, Epistemologie und Anthropologie. Sowohl das logische als das<br />

epistomologische Argument sind im Resultat negativ. Die Lehrsätze der ´metaphysica<br />

specialis´, die Kant in der transzendentalen Dialektik hauptsächlich vor Augen hat,<br />

beruhen auf ungültigen Schlussformen und sind empirisch nicht zu verifizieren. Die<br />

genannte Disziplin kann daher nicht mit dem Anspruch einer Wissenschaft auftreten.<br />

Es ist das anthropologische Argument, dass ihr immerhin den Status notwendiger<br />

Illusionen einräumt. Dies führt zur bekannten Unterscheidung zwischen einer<br />

"Metaphysik als Naturanlage" und einer "Metaphysik als Wissenschaft" (Kant 1968a,<br />

B 21f). In der einen Hinsicht ist sie für Kant "wirklich", in der anderen Hinsicht<br />

"problematisch". Es ist nicht das Interesse an theoretischer Spekulation, sondern an<br />

moralisch-praktischer Selbstbestimmung, das uns das Schicksal der Metaphysik nicht<br />

gleichgültig erscheinen lässt. Deren Lehrbestände leben denn auch im Kantischen<br />

Textkorpus als regulative Ideen und Postulate der praktischen Vernunft fort.<br />

Die Metaphysik als "reine Vernunfterkenntnis aus bloßen Begriffen" (Kant 1968b,<br />

AVII) ist noch unter einer anderen Hinsicht relevant. Dass sich eine Klasse von<br />

Begriffen, Kants Kategorien, a priori auf Gegenstände anwenden lässt, ist die<br />

Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung. Die Anschauung allein kann nicht<br />

sicherstellen, dass unseren empirischen Begriffen auch Gegenstände entsprechen.<br />

Das reine Denken von Gegenständen bezieht sich jedoch bloß auf die Art und Weise,<br />

wie uns Gegenstände erscheinen, nicht auf Dinge an sich. Es wird deutlich, dass es<br />

sich bei der Anwendung der Kategorien nicht um Erkenntnis, sondern um eine<br />

Verstandesoperation handelt. An die Stelle der ´metaphysica generalis´ genannten<br />

Ontologie ist die "Analytik des reinen Verstandes" (Kant 1968a, B 303) getreten. Damit<br />

hat sich Kant hat von der Idee verabschiedet, dass wir mit unserem Erkennen die Welt<br />

schlicht kopieren. Wann immer menschliche Wesen die Welt beschreiben, sind ihre<br />

Beschreibungen von den Begriffen geprägt, die in ihre Beschreibungen eingehen.<br />

372

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!