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Witti-Buch2 2001.qxd - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Ruth Spiertz<br />

verstandener Sprachgebrauch nahelegt, nämlich das Selbst unter den<br />

Bewußtseinsvorstellungen zu suchen. So wie <strong>Wittgenstein</strong> die Wörter von ihrer<br />

metaphysischen Bedeutung wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurückführen will<br />

(PU 116), vermeidet eine durch Erzählungen vermittelte Identität falsche Redeweisen.<br />

Durch die Entlarvung falscher Theorien des Sprachgebrauchs im Rahmen einer<br />

Konzeption personaler Identität haben <strong>Wittgenstein</strong> und Ricœur in ihren<br />

Untersuchungen einen neuen Standpunkt entwickelt. Das Selbst, das bei Ricœur in<br />

Lebensgeschichten eingebunden ist, sieht <strong>Wittgenstein</strong> auch und gerade über den<br />

Sprachgebrauch in Lebensformen verankert. Die Standpunkte sind ähnlich:<br />

PU 663 [...] erst wenn man die Geschichte kennt, weiß man, was es mit<br />

dem Bild soll.<br />

PU 241 [...] in der Sprache stimmen die Menschen überein. Dies ist keine<br />

Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform.<br />

PU S. 572 Das Hinzunehmende, Gegebene [...] seien die Lebensformen.<br />

Verstehen und Meinen sind lediglich in größeren Zusammenhängen bestimmbar.<br />

Das Selbst kann sich nur herausbilden in Auseinandersetzung mit dem Anderen, der für<br />

es sinnkonstitutiv ist, insofern Sprache und Lebensform, die für die Identitätsbildung<br />

wesentlich sind, intersubjektiv vermittelt werden.<br />

Diesen Schritt einer Herausbildung des Selbst in Auseinandersetzung mit dem<br />

Anderen sieht Ricœur bei <strong>Wittgenstein</strong> nicht mehr vollzogen. Unsere Untersuchung<br />

brachte jedoch gegenteilige Ergebnisse zutage.<br />

So kann man resümieren, daß <strong>Wittgenstein</strong> mit seinen zahlreichen Analysen zum<br />

Thema Sprechen und Denken, zum Status der Bewußtseinszustände und zum<br />

Fremdbewußtsein viel zur modernen Konzeption der narrativen Identität beigetragen<br />

hat.<br />

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