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Kap 12 / Religion<br />

u Abb 3 Partizipation am Gottesdienst – Abendmahlbeteiligung (evangelisch) und<br />

Gottesdienstbesuch (katholisch) — in Millionen<br />

Abb 3: Partizipation am Gottesdienst - Abendmahlbeteiligung (evangelisch) und Gottesdienstbesuch (katholisch) - in Millionen<br />

16<br />

evangelisch<br />

katholisch<br />

12<br />

8<br />

4<br />

1820<br />

1830 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 2070<br />

D.R.<br />

1.WK<br />

WR<br />

2.WK<br />

BRD<br />

DE<br />

Abb 4: Abnehmende Verbindlichkeit kirchlicher Passageriten - in Prozent<br />

.R.<br />

1880<br />

120<br />

Sinkende Partizipationsbereitschaft<br />

bei den Passageriten<br />

Da die formale Zugehörigkeit noch recht<br />

wenig über die Religionsausübung und die<br />

individuelle Verbundenheit aussagt, soll<br />

im Folgenden der Blick auf religiöse Praktiken<br />

gerichtet sein, wie sie im Deutschen<br />

Reich, in der Bundesrepublik und später<br />

dann im wiedervereinigten Deutschland<br />

zu beobachten sind. Das Ausmaß, mit<br />

dem Mitglieder der christ lichen Kirchen<br />

an den religiösen Aktivitäten und Riten<br />

80<br />

40<br />

Anteil kirchlicher<br />

Bestattungen an den<br />

Bestattungen insgesamt<br />

Anteil getaufter Kinder<br />

an den insgesamt<br />

geborenen Kindern<br />

Anteil kirchlicher<br />

Eheschließungen an den<br />

Eheschließungen insgesamt<br />

1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060<br />

1.WK WR<br />

2.WK BRD<br />

teilnahmen, gibt einen Eindruck von dem<br />

Engagement und der Partizipationsbereitschaft<br />

der Gläubigen bzw. der Gesellschaft:<br />

die Taufe der eigenen Kinder; die Teilnahme<br />

an Kommunion oder Konfirmation als<br />

Voraussetzung für den Empfang der Eucharistie<br />

bzw. des Abendmahls; die nicht<br />

nur staatliche, sondern auch kirchliche<br />

Eheschließung wie auch letztlich das<br />

kirchliche Begräbnis – all diese Sakramente<br />

und/oder kirchlichen Rituale sind einerseits<br />

traditionell verankert wie auch den<br />

Gläubigen von ihren Kirchen vorgeschrieben,<br />

andererseits bilden sie weit in die Gesellschaft<br />

hineinreichende Übergangsriten,<br />

die – durchaus unabhängig von der religiösen<br />

Bedeutung – kulturell mit Prestige aufgeladen<br />

sind. In der Gesamtschau erlauben<br />

sie uns Aussagen darüber, wie „dicht“<br />

der christliche Glaube und seine Anforderungen<br />

in die Lebenswelt und Praxis des<br />

Einzelnen eingebunden waren. u Abb 3<br />

Dabei deuten alle Indikatoren auf einen<br />

wichtigen Trendwechsel zum Ende der<br />

1960er Jahre hin. In dieser Zeitperiode traten<br />

die vorher eng verbundenen kirchlichen<br />

Traditionen und die lebens welt-<br />

DE<br />

lichen Praktiken von Einzelnen und Gruppen<br />

signifikant auseinander, wie das<br />

Bei spiel der kirchlichen Taufen exemplarisch<br />

zeigt: Die Zahl der kon fessionellkirchlichen<br />

Taufen war in der Bundesrepublik<br />

bis zum Ende der 1960er Jahre stark<br />

mit den absoluten Geburtenzahlen gekoppelt,<br />

das heißt, Veränderungen bei den absoluten<br />

Taufzahlen waren zumeist auf Veränderungen<br />

bei der Gesamtzahl der Geburten<br />

zurückzuführen. Erst zum Ende<br />

der 1960er Jahre und verstärkt nach 1990<br />

wurden immer mehr Kinder nicht getauft.<br />

Wurden 1960 noch knapp 95 Prozent der<br />

Kinder getauft, sank der Anteil auf rund<br />

80 Prozent im Jahr 1973, 70 Prozent 1992<br />

und schließlich unter 60 Prozent seit dem<br />

Jahr 2000. Für die Reproduktion volkskirchlicher<br />

Strukturen war das ein erheblicher<br />

Einschnitt, weil sich auf diese Weise<br />

das Niveau der Tradierung der Glaubenswelten<br />

in die jeweils nachfolgende Generation<br />

erheblich verringerte.<br />

Ein Blick auf die Veränderungen in<br />

der kirchlich geprägten Glaubenspraxis,<br />

wie sie sich in den Statistiken zeigen, lässt<br />

das Ende der 1960er Jahre als Zeitraum<br />

massiver Veränderungen und daher unübersehbar<br />

als Zäsur erscheinen. Hugh<br />

McLeod hat diesen Einschnitt als eine gesamteuropäische<br />

„religious crisis“ bezeichnet,<br />

die in ihrer Bedeutung für die<br />

Kirchengeschichte allenfalls zu vergleichen<br />

sei mit der Reformation und der Kirchenspaltung<br />

des 16. Jahrhunderts. 7 Die<br />

vorliegenden Daten zur Entwicklung des<br />

religiösen Feldes in Deutschland stützen<br />

diese Analysen. Auch die Zahlen zum<br />

Heiratsverhalten lassen sich als Beleg für<br />

diesen Trend heranziehen. u Abb 4<br />

Die Bereitschaft zur kirchlichen Trauung<br />

ging seit den 1970er Jahren immer<br />

180

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