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Unternehmen, Industrie und Handwerk / Kap 18<br />
Die andere Seite des industriellen<br />
Strukturwandels wird am Beispiel der Automobilindustrie<br />
deutlich. Sie erreichte<br />
erst nach dem Zweiten Weltkrieg eine besondere<br />
volkswirtschaftliche Bedeutung,<br />
in etwa zu der Zeit, als der Steinkohlebergbau<br />
in die Krise geriet. Das im Dezember<br />
2014 stillgelegte Opel-Werk in Bochum<br />
wurde genau aus diesem Grund errichtet.<br />
Seither ist die deutsche Automobilproduktion<br />
relativ kontinuierlich gestiegen. 10 Zuerst<br />
bediente sie vorwiegend den heimischen<br />
Markt, doch bereits Anfang der<br />
1960er Jahre war die jährliche Produktionsleistung<br />
über die Aufnahmefähigkeit des<br />
deutschen Marktes hinausgewachsen. Seither<br />
trägt die Automobilindustrie erheblich<br />
zum deutschen Exportüberschuss bei. Die<br />
Produktionsleistungen zentraler Branchen<br />
der Volkswirtschaft, wie der Automobilindustrie,<br />
lassen in der Regel auch die größeren<br />
wirtschaftlichen Krisen erkennen. In<br />
der Produktionskurve für die Pkw-Produktion<br />
lassen sich beispielsweise die Konjunkturkrise<br />
der Jahre 1966/67, die beiden<br />
Ölpreiskrisen von 1973/74 und 1979/81,<br />
die langsame Anpassung an die Bedingungen<br />
des freizügigen europäischen Binnenmarktes<br />
(1992/95) sowie der Absatzeinbruch<br />
durch die Finanzkrise 2008/09 gut<br />
erkennen. Einen ähnlichen Indikator für<br />
die wirtschaft liche Entwicklung liefert die<br />
Automobilindustrie der DDR nicht. Zum<br />
einen erreichte sie nur einen Bruchteil der<br />
bundesdeutschen Produktionsleistung, der<br />
nur während der ersten Ölpreiskrise<br />
1973/74 über 5 Prozent der bundesdeutschen<br />
Automobilproduktion lag. Zum anderen<br />
ist sie als Konjunkturindikator ungeeignet,<br />
weil die Nachfrage in der DDR<br />
die Produktion dauerhaft um ein Vielfaches<br />
überstieg und die Käufer jahrelang auf<br />
einen bestellten Pkw warten mussten. u Abb 3<br />
In der Gegenwart liefert die Konsumgüterproduktion<br />
ein besseres Abbild der<br />
wirt schaftlichen Entwicklung, als es die<br />
Produktion industrieller Grundstoffe vermag.<br />
Dies war zu früheren Zeiten anders:<br />
Bis etwa zum Beginn der 1960er Jahre waren<br />
Steinkohle und die Eisen- und Stahl industrie<br />
ein verlässlicher Indikator für die<br />
wirtschaft liche Entwicklung. Beide Produktionsreihen<br />
lassen die wirtschaft lichen<br />
Einbrüche des Ersten Weltkriegs und der<br />
Weltwirtschaftskrise (1929 bis 1932) gut erkennen<br />
und ebenso, dass als Folge des Ersten<br />
Weltkrieges wichtige Kohlelagerstätten<br />
und Standorte der Eisen produktion verlorengingen.<br />
Die zyklischen Schwankungen<br />
der bundesdeutschen Eisen- und Stahlerzeugung<br />
von etwa drei bis fünf Jahren resultieren<br />
vor allem aus den Investitionszyklen<br />
der Industrie und nicht aus der Endnachfrage.<br />
Gleichwohl zeigen die beiden<br />
Reihen der Roheisen- und der Rohstahlproduktion<br />
sehr deutlich den Beinahe-Zusammenbruch<br />
der Weltwirtschaft in Folge<br />
der Finanzkrise, als die Erzeugung von<br />
2007 auf 2009 um über 30 Prozent einbrach.<br />
u Abb 4<br />
Demgegenüber bildet Bier als eines der<br />
wichtigsten Massenkonsumgüter bis in<br />
die 1980er Jahre hinein gut die Entwicklung<br />
der verfügbaren Einkommen und<br />
den Lebensstandard ab. Dabei muss natürlich<br />
die veränderte Gebiets- und Bevölkerungsgröße<br />
berücksichtigt werden. Seit<br />
dem Ende der 1990er Jahre nimmt die<br />
Aussagekraft dieses Indikators aufgrund<br />
veränderter Konsumbedürfnisse ab. u Abb 5<br />
Anders als Produktionsdaten geben betriebs-<br />
und unternehmensbezogene Daten<br />
nur eingeschränkt Auskunft über allgemeine<br />
Trends. Sie müssen sehr viel vorsichtiger<br />
interpretiert werden, weil die<br />
Erhebungsgrundlagen sich, wie oben angedeutet,<br />
im Zeitverlauf erheblich veränderten.<br />
Zudem sind in den Statistiken Industriebetriebe<br />
und -unternehmen nicht von<br />
größeren Handwerksbetrieben unterschieden.<br />
Unternehmen, also rechtlich selbstständige<br />
Einheiten, wurden erst seit den<br />
1960er Jahren ausgewiesen, bis dahin begnügte<br />
sich die Statistik mit der Zahl der<br />
Betriebe oder Arbeitsstätten, doch viele<br />
Unternehmen besitzen mehrere Betriebe.<br />
Abb 5: Bierproduktion – in 1 000 Hektolitern<br />
u Abb 5 Bierproduktion — in 1 000 Hektolitern<br />
140<br />
100<br />
Deutsches Reich,<br />
Bundesrepublik,<br />
Deutschland<br />
DDR<br />
60<br />
20<br />
1810<br />
1820<br />
1830 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040<br />
D.R.<br />
1.WK<br />
WR<br />
2.WK<br />
BRD/DDR<br />
DE<br />
259