Argumentieren und Erörtern im Fach Deutsch - Landesinstitut für ...
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<strong>Argumentieren</strong> <strong>und</strong> <strong>Erörtern</strong> <strong>im</strong> <strong>Fach</strong> <strong>Deutsch</strong> (Gymnasium)<br />
60<br />
M 10: Jeden Donnerstag Fiesta 5<br />
Wie ein Ausgehverbot <strong>für</strong> Männer in einem spanischen Dorf wirkt<br />
Von Axel Veiel (Madrid)<br />
Alle Männer sind gleich? Von wegen. Javier Checa, der Bürgermeister des andalusischen<br />
Dörfchens Torredonj<strong>im</strong>eno, ist ganz anders. Da mögen seine Geschlechtsgenossen<br />
Abend <strong>für</strong> Abend He<strong>im</strong>, Herd, Weib <strong>und</strong> Kind verlassen, der<br />
nächsten Bar entgegenstreben, sich mit ihren Kollegen <strong>und</strong> Kumpels den Freuden<br />
des Alkohols überlassen. Javier Checa macht da nicht mit. Er fühlt sich<br />
den zu Hause gebliebenen Frauen verpflichtet, die abwaschen oder schreiende<br />
Kinder ins Bett bringen müssen, während das Familienoberhaupt draußen am<br />
Tresen womöglich noch über sie herzieht.<br />
Javier Checa ist aber nicht nur anders als andere Männer, sondern auch anders<br />
als andere Politiker. Er hat nicht viel hin- <strong>und</strong> her- <strong>und</strong> der Emanzipation<br />
das Wort geredet, sondern hat sie praktiziert. Am eigenen Leib sollten die Machos<br />
von Torredonj<strong>im</strong>eno spüren, was es heißt, zwischen dreckigem Geschirr<br />
<strong>und</strong> quengelnden Kindern zurückzubleiben, während der Partner auf die Sause<br />
geht. Ein Dekret hat Checa erlassen, dessen Wortlaut jedermann am schwarzen<br />
Brett des Rathauses nachlesen kann: Donnerstag von 21 Uhr bis Freitagfrüh<br />
2 Uhr Ausgehverbot <strong>für</strong> Männer; Zuwiderhandlungen werden mit einer Geldbuße<br />
von fünf Euro geahndet. Das Geld kommt misshandelten Frauen zu Gute.<br />
Die Männer gehen donnerstags allerdings noch <strong>im</strong>mer aus. Sie tun es jetzt<br />
demonstrativ. Die einen glauben den Kneipengang ihrer Männlichkeit schuldig<br />
zu sein. Mit einem verächtlichen Wir-lassen-uns-von-niemandem-was-sagen-<br />
Lächeln strecken sie den von Checa bestellten Bußgeld-Hostessen fünf Euro<br />
entgegen. Andere Nachschwärmer sehen sich als Demokraten in der Pflicht.<br />
Mit Plakaten demonstrieren sie <strong>für</strong> das Gr<strong>und</strong>recht der Bewegungsfreiheit <strong>und</strong><br />
gegen einen in ihren Augen nicht mehr ganz zurechnungsfähigen Bürgermeister.<br />
Anders als früher gehen donnerstags indes auch die Frauen auf die Straße.<br />
Und weil der Feldzug gegen den Machismus jenseits der Gemarkungsgrenzen<br />
ebenfalls von sich Reden gemacht hat, strömen Neugierige aus Nachbardörfern<br />
ebenfalls nach Torredonj<strong>im</strong>eno. Einen Menschenauflauf hat Checa so seiner<br />
Gemeinde beschert, wie er bunter <strong>und</strong> lebendiger kaum sein könnte.<br />
Der Bürgermeister kriegt von der allwöchentlichen Fiesta freilich nicht viel<br />
mit. Er pflegt den Hostessen donnerstags Punkt 21 Uhr einen Fünf-Euro-Schein<br />
zu überreichen <strong>und</strong> dann entschlossenen Schrittes der ehelichen Wohnung entgegenzustreben.<br />
5 Frankfurter R<strong>und</strong>schau vom 6.10.2003