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den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

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„Was guckst’n so?“ fragte Oswald, „möchtest’ doch n<strong>ich</strong>t, <strong>da</strong>ss <strong>ich</strong> mit zu dir komme?“<br />

„Doch. Ich hab’ nur an was ge<strong>da</strong>cht.“<br />

„Woran <strong>den</strong>n?“<br />

„Na <strong>ich</strong> <strong>da</strong>chte, Ju<strong>den</strong> müsst’ man <strong>da</strong>s ansehen, wenn sie <strong>da</strong>s sind.“<br />

„Hast du mir doch angesehen.“<br />

„Ja, ja, aber so mein’ <strong>ich</strong> <strong>da</strong>s n<strong>ich</strong>t –“<br />

„Ja, ja, <strong>ich</strong> weiß, <strong>da</strong>s ist mir n<strong>ich</strong>ts Neues. Das haben uns die Nazis eingebrockt. Aber<br />

<strong>da</strong>r<strong>über</strong> mach dir mal jetzt keine Ge<strong>da</strong>nken. Das setz’ <strong>ich</strong> dir <strong>da</strong>s alles auseinander. Haarklein.<br />

Darauf kannst’ d<strong>ich</strong> verlassen.“<br />

Oswald bog von der P-er Straße ab, fuhr <strong>den</strong> Düppelsteg entlang und erre<strong>ich</strong>te die Braachestraße.<br />

Angekommen vor unserem Haus, kam er tatsächl<strong>ich</strong> mit rein und mit zu mir rauf. –<br />

Ich ward in die Arme genommen, und Oswald sagte: „Du, hör’ mal, Rudolf – oder nennen sie<br />

d<strong>ich</strong> ‚Rudi‘?.“<br />

„Nee, Rufi..“<br />

„Gut, <strong>da</strong>nn nenn’ <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> Rufi. – Du, hör mal zu, Rufi. Das von vorhin, wo <strong>ich</strong> so grob<br />

zu dir war, du weißt schon, <strong>da</strong> am Wald... du, <strong>da</strong>s wollt’ <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, Rufi. Das kam nur, weil <strong>ich</strong><br />

so mächtig eifersüchtig war. Auf die andern, verstehst du. Dass die d<strong>ich</strong> gekriegt haben. Ausgerechnet<br />

Koslowski und Mühlhahn. – Weißt du, was Antisemiten sind?“<br />

„So was wie die Nazis, stimmt’s?“<br />

„Ja stimmt, <strong>da</strong>s war’n die schlimmsten. Aber nur weil die weg sind, hat <strong>da</strong>s n<strong>ich</strong>t aufgehört.<br />

Unter’n Kommunisten gibt’s auch welche. Auch bei uns im Objekt. Und Koslowski, <strong>da</strong>s<br />

ist dieser Leutnant, der Dieter, der gehört auch <strong>da</strong>zu. Björn Mühlhahn n<strong>ich</strong>t so r<strong>ich</strong>tig, aber<br />

eigentl<strong>ich</strong> auch. Je<strong>den</strong>falls nach außen hin, im Politunterr<strong>ich</strong>t. Da bringt er <strong>den</strong> Leuten bei, die<br />

Zionisten wür<strong>den</strong> die Rechte der Araber mit Füßen treten. – Du weiß, was Zionisten sind, ja?“<br />

„Nein.“<br />

„Das sind die, die Israel gegründet haben. Damit wir endl<strong>ich</strong> auch ’n Staat haben und uns<br />

keiner mehr durch die Welt jagen kann, als wär’n wir vogelfrei. Und <strong>da</strong>s weiß Björn Mühlhahn<br />

auch ganz genau, aber unsern Leuten erzählt er trotzdem <strong>da</strong>s Gegenteil. Nur weil er feige<br />

ist. Auch Koslowski gegen<strong>über</strong>. Sonst würde er n<strong>ich</strong>t zulassen, <strong>da</strong>ss Dieter m<strong>ich</strong> ständig<br />

erpresst. Ich lern’ näml<strong>ich</strong> heiml<strong>ich</strong> Hebräisch, weißt du. Mit einem Buch, <strong>da</strong>s <strong>ich</strong> von einem<br />

Onkel aus Westberlin habe. Aber <strong>da</strong>s konnt’ <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t auf der Stube lassen. Das liegt bei<br />

Koslowski, und <strong>da</strong> lern’ <strong>ich</strong> auch, wenn <strong>ich</strong> grad keinen Dienst habe. Aber <strong>da</strong>für hab’ <strong>ich</strong> jederzeit<br />

herzuhalten, <strong>wer</strong>d’ <strong>ich</strong> gebumst, egal ob mir <strong>da</strong>nach ist oder n<strong>ich</strong>t. Und Björn lässt <strong>da</strong>s<br />

stillschweigend zu. – Siehst du, und solche, die zieh’n mit dir ab. Und <strong>ich</strong> sitz’ <strong>da</strong>. Verliebt<br />

bis sonstwohin. Gle<strong>ich</strong> als <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> Nachmittag geseh’n hab’. Noch bevor du aufgetreten bist.<br />

Aber als du mitten <strong>da</strong>bei warst, erst recht. Aber <strong>da</strong>nach an d<strong>ich</strong> ranzukommen war n<strong>ich</strong>t. Und<br />

ab zehn hatt’ <strong>ich</strong> Funkwache. Hock’ <strong>da</strong> und irgendwann seh’ <strong>ich</strong>, die zieh’n mit dir ab. Na <strong>da</strong><br />

wusst’ <strong>ich</strong> Bescheid. Jetzt bumsen sie ihn garantiert grün und blau, <strong>da</strong>cht’ <strong>ich</strong>. Und was <strong>da</strong>rf<br />

<strong>ich</strong>? Zusehen, <strong>da</strong>ss du s<strong>ich</strong>er nach Hause kommst. Dafür bin <strong>ich</strong> gerade noch gut genug –“<br />

„Aber <strong>da</strong>für kann <strong>ich</strong> doch n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Nee, kannst du auch n<strong>ich</strong>t, Rufi. Und deshalb entschuldige <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auch. Ich wollt’<br />

d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t erschrecken. Und antun wollt’ <strong>ich</strong> dir schon gar n<strong>ich</strong>ts. Und jetzt lass d<strong>ich</strong> ausziehen.<br />

Ich kann es gar n<strong>ich</strong>t erwarten, <strong>da</strong>ss wir uns lieben –“<br />

Und <strong>ich</strong> konnt’s auch n<strong>ich</strong>t erwarten, <strong>da</strong>s wir uns liebten, <strong>ich</strong> flog ihm schier zu, dem<br />

Oswald Emanuel Kröner (von dem <strong>ich</strong> bald wusste:) geboren im März ’34 in Amster<strong>da</strong>m,<br />

gezeugt in Berlin-Charlottenburg, von einem aus Husum stammen<strong>den</strong> Vater, einem politischen<br />

Journalisten, <strong>den</strong> Kommunisten nahestehend; und Oswalds Mutter, gebürtig in Lodz,<br />

eine Opernsängerin.<br />

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