den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
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mon lässt s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t bumsen, so wie s<strong>ich</strong> mein Onkel n<strong>ich</strong>t hatte bumsen lassen, der 1983 umgekommen<br />
ist; Hans hat man totgeschlagen. In einem Pissoir in Frankfurt/Oder. Nachts zwischen<br />
eins und drei. Der oder die Täter n<strong>ich</strong>t zu ermitteln. Wobei <strong>ich</strong> mir n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er bin, <strong>da</strong>ss<br />
man <strong>da</strong>mals eine Ermittlung ernsthaft in die Wege geleitet hat. Kann durchaus sein, um <strong>den</strong><br />
Siebzigjährigen, <strong>den</strong> man mit runtergelassenen Hosen erschlagen in der Pissrinne liegend<br />
vorgefun<strong>den</strong> hatte, ist n<strong>ich</strong>t allzu viel Gewese gemacht wor<strong>den</strong>.<br />
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Doch zurück zur Chronologie: Juni ’60 und für <strong>den</strong> Hans die Welt noch im Lot, mächtig<br />
sogar, als wir auf dem Elbde<strong>ich</strong>, aus L. kommend, heimwärts wanderten. – „Mensch, Jungs,<br />
<strong>da</strong>s war was, was? Und heute Abend geht’s weiter. Mal sehen, wie oft <strong>ich</strong> je<strong>den</strong> von <strong>euch</strong><br />
schaffe. Zweimal mindestens. Wisst ihr, <strong>da</strong>ss <strong>ich</strong> schon wieder vögeln könnte. Der steht mir<br />
wie Ast. – Guckt mal, <strong>da</strong> hinten am Brack die Büsche. Ob <strong>da</strong> was mögl<strong>ich</strong> wäre? Was meint<br />
ihr, wollen wir <strong>da</strong> mal hingehen, ’ne Nummer im Freien schieben?“<br />
Wir stiefelten <strong>den</strong> Elbde<strong>ich</strong> abwärts und <strong>über</strong> die angrenzende Wiese, hin zum Brack, wo<br />
Wei<strong>den</strong>gesträuch es rahmte. Und <strong>da</strong>s Busch<strong>wer</strong>k fast erre<strong>ich</strong>t, sahen wir im wa<strong>den</strong>hohen Gras<br />
zwei Herrenfahrräder liegen. – „Vors<strong>ich</strong>t“, raunte mein Onkel, „<strong>ich</strong> glaube, hier angeln welche.<br />
Die sitzen wahrscheinl<strong>ich</strong> direkt hinter <strong>den</strong> Wei<strong>den</strong>. Los kommt, wir hau’n wieder ab.“<br />
Oswald und <strong>ich</strong> nickten, aber bevor wir <strong>den</strong> Rückzug antreten konnten, hörten wir es aus<br />
dem Gesträuch heraus jammern : „Aua!... Aua, Papa!... Du tust mir weh, Papa!“ – „Ja weil du<br />
zappelst. Musst stillhalten. Halt doch mal endl<strong>ich</strong> still, <strong>da</strong>nn geht er ganz von alleen rin“,<br />
ward jetzt geschnauzt, und dem folgte ein hellstimmiges „Nein, Papa!“ und ein rauhstimmiges<br />
„Aber ja doch, <strong>ich</strong> bin doch schon drin –“<br />
„Na so was. Da vergreift s<strong>ich</strong> einer an seinem Sohn“, brubbelte Hans, und <strong>ich</strong> fragte:<br />
„Und was machen wir jetzt?“ – Antwort: „Nix. Kommt, wir geh’n.“<br />
Die Wiese durchmessen, <strong>den</strong> De<strong>ich</strong> erklommen, setzen wir uns auf eine der dort aufgestellten<br />
Bänke. So wollte es Hans; der wollte mal sehen, wie lange <strong>da</strong>s <strong>da</strong> unten wohl <strong>da</strong>uern<br />
würde. Und <strong>ich</strong> fragte: „Was meinst’n, wie alt <strong>mag</strong> <strong>den</strong>n der Junge sein, Onkel Hans?“ –<br />
„Sch<strong>wer</strong> zu sagen. Nach der Stimme zu urteilen, vielle<strong>ich</strong>t elf, vielle<strong>ich</strong>t auch schon zwölf.<br />
Älter bestimmt n<strong>ich</strong>t. – Wann bist’n du <strong>da</strong>s erste Mal gevögelt wor<strong>den</strong>?“<br />
„Da war <strong>ich</strong> elf.“<br />
„Und wie ist es mit dir gewesen, Oswald?“<br />
„M<strong>ich</strong> hat schon einer, <strong>da</strong> war <strong>ich</strong> erst sieben.“<br />
„Ach du großer Gott, wie kann man <strong>den</strong>n so was machen. – Guckt mal, <strong>da</strong> sind sie.“<br />
Am Brack, wo ihn keine Büsche säumten, stan<strong>den</strong> jetzt ein Mann und ein Junge; beide in<br />
Badehose; konnt’ auch ’ne Turnhose sein, <strong>da</strong>s war aus der Entfernung n<strong>ich</strong>t auszumachen.<br />
Aber je<strong>den</strong>falls stan<strong>den</strong> sie <strong>da</strong>; stan<strong>den</strong> s<strong>ich</strong> gegen<strong>über</strong> und schienen miteinander zu re<strong>den</strong>.<br />
Und schließl<strong>ich</strong> bückte s<strong>ich</strong> der eine, der andere, kam wieder hoch, und es sah so aus, als hätte<br />
s<strong>ich</strong> jeder ein Kleidungsstück genommen. – Ja, r<strong>ich</strong>tig; jetzt zogen sie s<strong>ich</strong> an, und <strong>da</strong>mit<br />
fertig gewor<strong>den</strong>, schienen sie zu der Stelle zu gehen, wo wir die Fahrräder ges<strong>ich</strong>tet hatten. –<br />
Ja, genau. Schon hoben sie ihre Räder auf und schoben sie <strong>über</strong> die Wiese R<strong>ich</strong>tung De<strong>ich</strong>,<br />
direkt auf uns zu. Und die bei<strong>den</strong> näher an uns rangekommen, erkannte <strong>ich</strong> Herrn Kruse; der<br />
arbeitete beim FDGB, war <strong>da</strong> „zieml<strong>ich</strong> hoch an“, wie <strong>ich</strong> von meiner Mutter wusste und was<br />
mir plausibel war; Herr Kruse hatte dieses und vorletztes Jahr auf der Kundgebung zum 1.Mai<br />
die Rede gehalten, und die war jedesmal lang und länger ausgefallen; man hatte s<strong>ich</strong> auf dem<br />
Thälmann-Platz die Beine in’ Bauch gestan<strong>den</strong>...<br />
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