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den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

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„Ja, ja“, brabbelte Udo, und Hilmar sah s<strong>ich</strong> nach mir um, sah an mir abwärts, sah, <strong>da</strong>ss<br />

er mir stand, winkte m<strong>ich</strong> ran. – „Na los, Rufi. Aber feste. Udo braucht es, bis er vom Tisch<br />

rollt. Wenn ihr wollt, könnt’ ihr alle noch mal. Ich seh’ inzwischen zu, was <strong>da</strong>s Essen macht.<br />

Gibt Rindergulasch.“<br />

*<br />

Eine Dreiviertelstunde später, alle Tubulenzen verebbt, auch keiner mehr nackt, und Otto<br />

aus der Werkstatt gekommen, saßen wir zu sechst um <strong>den</strong> Küchentisch. Udo fraß wie ein<br />

Scheunendrescher, sah währenddessen strahlen<strong>den</strong> Blicks von einem zum anderen und schien<br />

s<strong>ich</strong> wie ein König vorzukommen. Von Erschöpfung keine Spur. – Der Junge war mir ein<br />

Rätsel. Hätte s<strong>ich</strong> an mir ereignet, was s<strong>ich</strong> an ihm ereignet hatte, wäre <strong>ich</strong> mindestens für <strong>den</strong><br />

Rest des Tages erledigt gewesen. Aber Udo war am Ende n<strong>ich</strong>t einmal vom Tisch gerollt. Im<br />

Gegenteil. Als klar war, <strong>da</strong>ss keiner mehr Lust auf ihn hatte, war er zwar etwas sch<strong>wer</strong>fällig<br />

abgestiegen, aber kaum hatte er auf <strong>den</strong> Beinen gestan<strong>den</strong>, hieß es: „Jetzt <strong>wer</strong>d’ <strong>ich</strong> mal zu<br />

Otto r<strong>über</strong>geh’n. Das ist so die Zeit, wo er meist zieml<strong>ich</strong> geil ist. Da kann <strong>ich</strong> mit was rechnen.“<br />

Und Udo war in seine Hose gestiegen, und Hans hatte ihn <strong>da</strong>rauf hingewiesen, <strong>da</strong>ss er<br />

seinen „Schlüpper“ anzuziehen vergessen hätte. – Antwort: „Nee, nee, <strong>den</strong> brauch’ <strong>ich</strong> jetzt<br />

n<strong>ich</strong>t. Muss m<strong>ich</strong> doch wahrscheinl<strong>ich</strong> sowieso gle<strong>ich</strong> wieder auszieh’n.“<br />

Wie gesagt, der Junge war mir ein Rätsel, der <strong>da</strong> tatsächl<strong>ich</strong> nach all der Fickerei auch<br />

noch zum Otto in die Werkstatt gegangen war, s<strong>ich</strong> dort auch tatsächl<strong>ich</strong> noch einmal hingehalten<br />

hatte, wie wir anschließend von ihm erfahren hatten. – „So, nun hat m<strong>ich</strong> jeder von<br />

<strong>euch</strong>, und am schönsten war es mit dir“, hatte Udo verkündet, zum Oswald geschaut, „in d<strong>ich</strong><br />

könnt’ <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> glatt verlieben. Kommst du jetzt öfter?“<br />

„Aber n<strong>ich</strong>t ohne Rufi.“<br />

„Den hab’ <strong>ich</strong> auch lieb. Eigentl<strong>ich</strong> hab’ <strong>ich</strong> <strong>euch</strong> alle lieb. – Wann gibt’s <strong>den</strong>n was zu essen,<br />

Hilmar.“<br />

„Na jetzt. Warum ist <strong>den</strong>n Otto n<strong>ich</strong>t gle<strong>ich</strong> mitgekommen.“<br />

„Der ist nur noch pinkeln gegangen.“<br />

Zwei Stun<strong>den</strong> später verabschiedeten s<strong>ich</strong> Onkel Hans, Oswald und <strong>ich</strong> vom Otto, vom<br />

Hilmar, vom Udo. Letzterer, im Februar des <strong>da</strong>rauffolgen<strong>den</strong> Jahres ausgelernt, wurde dem<br />

Otto, dem Hilmar ein Kompagnon. Und die kleine Korbflechterei gibt’s noch immer. Die war<br />

vom Otto zum Hilmar <strong>über</strong>gegangen, und Hilmar <strong>über</strong>gab sie auf seine alten Tage dem Udo<br />

sowie einem gewissen Simon, einem Berufskollegen, <strong>den</strong> Udo 1972 während einer Korbwarenmesse<br />

in Sch<strong>wer</strong>in kennengelernt hatte. Man war miteinander ins Bett gegangen, man<br />

wollte voneinander n<strong>ich</strong>t lassen. Andererseits mochte Udo auch von Otto und Hilmar n<strong>ich</strong>t<br />

lassen. Was Simon, in Wismar ansässig, verstand. Der verkaufte noch im selben Jahr <strong>den</strong> eigenen<br />

Betrieb an seinen Gesellen und <strong>über</strong>siedelte nach L.; ward fortan der Vierte im Bunde.<br />

– Ein prächtiger Kerl, <strong>den</strong> Oswald und <strong>ich</strong>, ’72 schon im Westen, erst Ende 1990 kennengelernt<br />

haben. Da gab es in L. nur noch drei im Bunde, <strong>den</strong> inzwischen achtundvierzigjährigen<br />

Udo, <strong>den</strong> fünzigjährigen Simon, <strong>den</strong> siebenundsiebjährigen Hilmar; Otto war seit vier Jahren<br />

tot.<br />

Hilmar lebt übrigens immer noch, ist in diesem Jahr 93 gewor<strong>den</strong> und <strong>mag</strong> noch immer<br />

grabbeln, legt man s<strong>ich</strong> zu ihm. Grabbeln, einen betul<strong>ich</strong> belutschen. Ficken geht n<strong>ich</strong>t mehr,<br />

und gebumst <strong>mag</strong> er auch n<strong>ich</strong>t mehr <strong>wer</strong><strong>den</strong>. Aber zugucken <strong>mag</strong> er, wenn man s<strong>ich</strong> Udo zur<br />

Brust nimmt, oder Oswald m<strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> Oswald, oder Simon <strong>den</strong> Oswald oder auch m<strong>ich</strong>. – Si-<br />

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