01.11.2013 Aufrufe

den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Doch lassen wir <strong>da</strong>s. Bleiben wir bei der Chronologie, also im Sommer ’56; <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

beim Harald eingefun<strong>den</strong>, <strong>da</strong>nach m<strong>ich</strong> in Hidorf Axel hingeben und Schürmann n<strong>ich</strong>t etwa<br />

links liegen gelassen. – Ach ja, <strong>da</strong> war ja noch einer, <strong>ich</strong> für dreieinhalb Wochen wieder in<br />

Xge gelandet: Winfried Wiesner. 37, verheiratet, fünf Kinder, <strong>da</strong>s sechste unterwegs, als <strong>ich</strong><br />

ihn kennenlernte; andere Seite Elbbrücke (wie <strong>da</strong>s in Xge hieß), <strong>da</strong>, wo es nach Höwe geht,<br />

sieben oder acht Gehöfte, und eines <strong>da</strong>von gehörte dem Winfried, der an einem Weiher saß,<br />

Angel im Wasser, Füße desgle<strong>ich</strong>en, als <strong>ich</strong> Margeriten pflücken wollte, um meiner Mutter<br />

eine Freude zu machen, was <strong>ich</strong> für angebracht hielt, weil <strong>ich</strong> doch die Woche <strong>da</strong>rauf wieder<br />

abrauschte, ab in <strong>den</strong> Harz, und <strong>da</strong>von erbaut war Mutter mitn<strong>ich</strong>ten, was wiederum mir ein<br />

schlechtes Gewissen bescherte. Je<strong>den</strong>falls schien es mir nötig, <strong>den</strong> aufmerksamen Sohn herauszukehren,<br />

und Margeriten liebte meine Mutter <strong>über</strong> alles, und andere Seite der Elbe waren<br />

die Wiesen voll <strong>da</strong>von, hätte man sie mit der Sense ernten können, was <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wollte, <strong>ich</strong><br />

wollte sie ledigl<strong>ich</strong> pflücken und stieß an einem der Weiher auf diesen Mann, Angel im Wasser,<br />

Füße desgle<strong>ich</strong>en. Und der Mann musterte m<strong>ich</strong>, sagte: „Ach, ’n Stadtkind. Stimmt’s, du<br />

bist aus Xge?“<br />

„Ja, bin <strong>ich</strong>.“<br />

„Das sieht man dir an, ’n Bengel vom Lande sieht anders aus. Macht aber n<strong>ich</strong>ts, bist<br />

trotzdem ’n Hübscher. Komm mal ran, lass d<strong>ich</strong> mal anschau’n. Wie alt bist’n?“<br />

„Dreizehn.“<br />

„Ach was, <strong>da</strong>s hätt’ <strong>ich</strong> nu n<strong>ich</strong>’ ge<strong>da</strong>cht. Siehst eher aus, als wärst du erst elf. Bist’ wirkl<strong>ich</strong><br />

schon dreizehn?“<br />

„Ja.“<br />

„Na ja, warum n<strong>ich</strong>’. – Was is’n, warum kommst’n n<strong>ich</strong>’ ran? Setzt d<strong>ich</strong> her, <strong>ich</strong> hab was<br />

übrig für Kinder, mach’ eins nach’m andern. Nächsten Monat <strong>wer</strong>d’ <strong>ich</strong> zum sechsten Mal<br />

Vadder. – Na, was sagst du... (der <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> zu ihm gesetzt) ...is’ <strong>da</strong>s ’ne Leistung? Bin aber<br />

auch mächtig fleißig im Bett. Ja, ja, kannst du mir glauben. Wenn’s nach mir ginge, <strong>ich</strong><br />

könnt’ jede Nacht, und <strong>da</strong>s gle<strong>ich</strong> ’n paar Mal hintereinander. – Weißt, was <strong>ich</strong> meine? Ja,<br />

wirkl<strong>ich</strong>? Bist’ schon so weit? Kriegst’ auch schon manchmal ’n Ständer? – Ja? Na, <strong>da</strong>nn<br />

muss <strong>ich</strong> ja vor dir kein Blatt vor’n Mund nehmen, was? Obwohl mir ehrl<strong>ich</strong> gesagt gar n<strong>ich</strong>t<br />

in’ Kopf <strong>will</strong>, <strong>da</strong>ss du schon dreizehn bist. Und <strong>da</strong>ss du dir womögl<strong>ich</strong> schon einen von der<br />

Palme wedelst, erst recht n<strong>ich</strong>t. Das passt irgendwie gar n<strong>ich</strong>t zu dir. – Du, hör mal, zeigst’<br />

mir mal, wie du <strong>da</strong>s machst? Lässt’ m<strong>ich</strong> mal zugucken?“<br />

Ich schüttelte mit dem Kopf, und der Mann, schon längst einen Arm um m<strong>ich</strong>, zog m<strong>ich</strong><br />

nun an s<strong>ich</strong> und sagte: „Nee, <strong>will</strong>st’ n<strong>ich</strong>t? Na lass man, <strong>da</strong>s find’ s<strong>ich</strong> schon noch“, und sagte<br />

zudem, was <strong>ich</strong> schon oft gehört und womit schon so vieles angefangen hatte: „Mensch, Junge,<br />

bist du ’n Hübscher“, und sagte so<strong>da</strong>nn, was mir noch keiner gesagt und womit bisher<br />

n<strong>ich</strong>ts begonnen hatte: „Könnt’st glatt als Mädel weggehen. Vielle<strong>ich</strong>t bist’ ja auch eins.<br />

Lässt’ m<strong>ich</strong> mal nachgucken?“<br />

Diesmal schüttelte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mit dem Kopf, was mir spornstre<strong>ich</strong>s an diesem Weiher ein<br />

Über-m<strong>ich</strong>-Herfallen und einen weiteren Liebhaber einbrachte. Aus Höwe/Altmark. Wobei<br />

<strong>ich</strong> bis Höwe nie kam, wenn Winfried und <strong>ich</strong> zueinander fan<strong>den</strong>. Winfried stand für gewöhnl<strong>ich</strong><br />

am letzten Freitag im Monat in Xge auf dem Wochenmarkt. Bis nachmittags um drei.<br />

Und als <strong>ich</strong> wieder Lande war, „Klein Eyold“ abgesetzt, stand <strong>ich</strong> an besagtem Freitag, wenn<br />

<strong>ich</strong> Zeit hatte, die nächsten anderthalb Jahre ab drei an der Elbbrücke und wurde von Winfried<br />

eingesackt, wenn er mit seinem Kleinlaster angetuckert kam. So gegen halb vier. Und <strong>da</strong>nn<br />

fuhren wir, die Elbbrücke <strong>über</strong>quert, n<strong>ich</strong>t weiter bis Höwe, sondern bogen rechts ab und<br />

landeten vor einem einsam gelegenen kleinen Gehöft, <strong>da</strong>s einem alten Mann namens Kluge<br />

gehörte, wie <strong>ich</strong> am Briefkasten sah. Willi Kluge; <strong>den</strong> <strong>ich</strong> aber nie zu Ges<strong>ich</strong>t kriegte. Der<br />

Mann wäre querschnittsgelähmt, läge im Bett, sagte Winfried, als wir zum ersten Mal dieses<br />

Anwesen ansteuerten. Er, Winfried, schaute dort neben der Gemeindeschwester immer mal<br />

nach dem Rechten. „Ich schau mal fix zu ihm rein“, sagte Winfried, als wir im Flur stan<strong>den</strong>,<br />

76

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!