den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
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iges“ sollte <strong>ich</strong> vorgetragen. Man hatte s<strong>ich</strong> Wilhelm Busch gewünscht. – Na gut, <strong>da</strong>nn eben<br />
Wilhelm Busch, <strong>den</strong> <strong>ich</strong> zuvor noch nie rezitiert hatte. Aber <strong>ich</strong> graste, ward fündig, lernte,<br />
probierte... und war an dem Tag des einstündigen Auftritts samt einiger Zugaben, die immer<br />
nötig waren, bestens präpariert. Der Wagen, m<strong>ich</strong> abzuholen, durfte vorfahren. Und so gegen<br />
vier am Nachmittag kam er <strong>den</strong>n auch. Allerdings hatte <strong>ich</strong> <strong>den</strong> Chauffeur der SED-<br />
Kreisleitung erwartet, der m<strong>ich</strong> bislang immer zu auswärtigen Auftritten für die Partei kutschiert<br />
hatte. – Ein Spaßvogel, mit dem <strong>ich</strong> immer gern unterwegs war. Doch der war’s diesmal<br />
n<strong>ich</strong>t. Der Mann wäre letzte Nacht Vater gewor<strong>den</strong> und hätte am Vormittag aus lauter<br />
Freude mehr als einen gep<strong>ich</strong>elt, und nun wäre er „voll“, hörte <strong>ich</strong> von dem, der statt des mir<br />
bekannten Fahrers hinter dem Steuer saß: Kein Berufschauffeur, sondern Herr Lademann<br />
höchstpersönl<strong>ich</strong>, der <strong>da</strong> meinte, <strong>da</strong>s hätte doch was, <strong>da</strong> könnten wir wenigstens mal einen<br />
Moment lang ungestört miteinander plaudern. „Hast m<strong>ich</strong> doch neul<strong>ich</strong> gle<strong>ich</strong> wiedererkannt,<br />
oder?“ – Ja, hätte <strong>ich</strong>. – „Und? Lust auf ’ne Wiederholung? Ich meine, was wir <strong>da</strong> beide im<br />
Kino hatten. Ich <strong>den</strong>k’ mal, <strong>da</strong>s wär’ ausbaufähig. Na n<strong>ich</strong>t jetzt, aber heute Abend, wenn wir<br />
zurückfahren. Da könnten wir kurz hinter P. auf <strong>da</strong>s Manövergelände. Verkriechen wir uns in<br />
so’m Offiziersunterstand.“<br />
„Meinetwegen“, sagte <strong>ich</strong>, und dies etwas abwesend, <strong>da</strong>chte <strong>ich</strong> doch an meinen Auftritt<br />
(<strong>ich</strong> glaube) um fünf; <strong>ich</strong> hatte also mehr Wilhelm Busch als alles andere im Kopf. Aber mein<br />
„meinetwegen“ genügte Herrn Lademann, der mir sagte, <strong>ich</strong> dürfte ihn duzen und ‚R<strong>ich</strong>ard“<br />
nennen, wenn keiner <strong>da</strong>bei wäre. Aber wirkl<strong>ich</strong> nur <strong>da</strong>nn. Das müsst’ <strong>ich</strong> verstehen; besser<br />
ginge es nun mal n<strong>ich</strong>t, er wäre bei der Partei n<strong>ich</strong>t irgend<strong>wer</strong>, immerhin wäre er Zweiter Sekretär.<br />
Mein Auftritt war ein Erfolg. Die vorbereiteten Zugaben brauchte <strong>ich</strong> samt und sonders<br />
auf; <strong>ich</strong> musste so gar noch aus meinem allgemeinen Repertoire zwei Glanznummern <strong>da</strong>zugeben:<br />
Ringelnatz’ „Kuddel<strong>da</strong>tteldu“ und Tucholskys „Lottchen sieht einen tragischen Film“.<br />
Und <strong>da</strong>nn ward <strong>ich</strong> zum allgemeinen Abendschmaus der Kompanie in <strong>den</strong> Speisesaal gela<strong>den</strong>.<br />
Zur Feier des Tages gab es Wildbret: Wildschwein, Reh und Hirsch (im Kasernenhof<br />
<strong>über</strong> offenem Feuer mürbe gebrutzelt). Dazu ward helles Bauernbrot gere<strong>ich</strong>t. Und Maibock<br />
gab’s, wovon auch Lademann trank, wie <strong>ich</strong> von weitem mitkriegte und was m<strong>ich</strong>, weil er<br />
doch mein Chauffeur war, stutzig machte, wenn auch nur kurz, <strong>den</strong>n Lademann saß am unteren,<br />
<strong>ich</strong> am oberen Ende der Tafel der höheren Dienstgrade, und dort war <strong>ich</strong> von zwei Offizieren<br />
eifrig ins Gespräch gezogen wor<strong>den</strong>. Vor allem der Offizier links von mir, ein Mann<br />
um die Vierzig, der schwatzte und schwatzte, und währenddessen hatte der Offizier, der<br />
rechts von mir saß und erhebl<strong>ich</strong> jünger war, immer mal wieder unterm Tisch sein Fahrgestell<br />
an dem meinen. Zunächst nur flüchtig, wie versehentl<strong>ich</strong>, aber <strong>da</strong>nn, als hülfe <strong>da</strong>s Bockbier<br />
nach, schon beträchtl<strong>ich</strong> ausgiebiger. Und als es im Speisesaal schummrig gewor<strong>den</strong> war, nur<br />
Kerzen auf <strong>den</strong> langen Tischen und <strong>über</strong> <strong>den</strong> Tischen einige Lampions, ruhte schließl<strong>ich</strong> ein<br />
linkes Bein mir unausgesetzt an meinem rechten. – Na ja, es ruhte n<strong>ich</strong>t nur, es schabte auch<br />
hin und wieder, Unterschenkel an Unterschenkel. Eine Botschaft, die <strong>ich</strong> verstand, aber was<br />
<strong>da</strong>mit anfangen? Vielle<strong>ich</strong>t erst einmal aufstehen, pinkeln gehen.<br />
„Warte, <strong>ich</strong> auch“, sagte der Offizier, der mit mir Tuchfühlung aufgenommen hatte. Der<br />
Mann stand ebenfalls auf und lenkte m<strong>ich</strong>, drei, vier Schritte gegangen, R<strong>ich</strong>tung Offizierstoilette;<br />
<strong>da</strong>s „Mannschaftsklosett“ würde zu sehr stinken. Was <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t beurteilen konnte, aber<br />
die Toilette der Offiziere stank je<strong>den</strong>falls n<strong>ich</strong>t.<br />
Wir placierten uns nebeneinander an <strong>den</strong> Pissbecken, und uns gerade mal ausgepackt,<br />
glotzte einer wie der andere auch schon am anderen abwärts. – „Hier geht n<strong>ich</strong>ts“ murmelte<br />
der Offizier und pinkelte los, „wir sollten lieber mal ’n Augenblick frische Luft schnappen.“<br />
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