den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
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kam <strong>da</strong>r<strong>über</strong> n<strong>ich</strong>t weiter, setzte m<strong>ich</strong> am Wegrand auf eine Bank, glotzte gen Friedhofsportal<br />
und Toilettenbude.<br />
Kann n<strong>ich</strong>t sagen, wie lange <strong>ich</strong> <strong>da</strong> rumsaß, eine Uhr besaß <strong>ich</strong> noch n<strong>ich</strong>t, aber eine<br />
Weile hockte <strong>ich</strong> <strong>da</strong> schon und <strong>da</strong>s mit dem Gefühl, <strong>da</strong>hinten, knappe zweihundert Meter von<br />
mir entfernt, müsste s<strong>ich</strong> was tun. Und schließl<strong>ich</strong> tat s<strong>ich</strong> auch was: Der Junge kam aus der<br />
Toilette, nahm <strong>den</strong> Weg, an dem <strong>ich</strong> saß, kam näher, kam ran, ging vorbei. Mit zieml<strong>ich</strong> gerötetem<br />
Ges<strong>ich</strong>t. Und Rufi roch Lunte. Der brachte Gießkanne und Harke nach Hause, holte<br />
zweimal tief Luft und lief wieder los.<br />
Den Namen des Toilettenwärters habe <strong>ich</strong> übrigens nie vernommen, obwohl der Mann<br />
m<strong>ich</strong> durchaus beachtet und ohne Scheu auch gerammelt hat. Worauf <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t angelegt<br />
hatte, <strong>da</strong>ss es so weit ginge, aber rechtzeitig weglaufen konnte <strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t. N<strong>ich</strong>t, weil es<br />
n<strong>ich</strong>t mögl<strong>ich</strong> gewesen wäre, sondern weil mir meine Beinchen <strong>den</strong> Dienst aufkündigten, als<br />
der Mann m<strong>ich</strong> anfasste, <strong>ich</strong> vor der Pissrine, und der Mann hinter mir schnurrte: „Na geht’s,<br />
oder soll <strong>ich</strong> nachhelfen? Schnullerchen halten? – Ja, lass ihn mal halten, halt mal schön still.<br />
– Das <strong>mag</strong>st du, was? – Ach Gott, und was für’n schönes Hinterchen. – Du, bleib mal steh’n.<br />
Ich schließ bloß die Tür ab, und <strong>da</strong>nn mach <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> nackt. Und m<strong>ich</strong> kriegst’ <strong>da</strong>nn auch zu<br />
sehen. Willst du doch, stimmt’s? Deshalb bist du doch zurückkommen, hab’ <strong>ich</strong> Recht?“<br />
„Ja –“, japste <strong>ich</strong> auf, von dem Mann vorn und hinten begrapscht – wie sollt’ <strong>ich</strong> <strong>da</strong> Nein<br />
sagen, weglaufen? Ich blieb, wo <strong>ich</strong> war, und der Mann, der schloss ab, war wieder zur Stelle,<br />
heißatmig, kurzatmig, und schob m<strong>ich</strong> in die Wärterkemenate, riss mir die Hosen runter. –<br />
„Ich bin n<strong>ich</strong>t dein Erster, stimmt’s? Oder bin <strong>ich</strong> dein Erster?“<br />
„Nee –“<br />
„Und gepimpert bist’ auch schon mal wor<strong>den</strong>?“<br />
„ – – – “<br />
„Na sag schon, hat d<strong>ich</strong> mal einer?“<br />
„Ja –“<br />
„Na <strong>da</strong>nn weißt ja Bescheid. Halt d<strong>ich</strong> am Waschbecken fest, hier geht’s nur im Steh’n –“<br />
Ja, ging es halt nur und nochmals lief <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t zu dem Mann, der mir eine Mark in Auss<strong>ich</strong>t<br />
gestellt hatte, käme <strong>ich</strong> wieder. Aber <strong>ich</strong> brauchte kein Geld. Erstens versorgte m<strong>ich</strong><br />
Harald und zweitens würde <strong>ich</strong> ja gle<strong>ich</strong> nach <strong>den</strong> Ferien wieder eine kleine Theatergage bekommen.<br />
Bei freier Kost und Logis dreifünfzig pro Tag, wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> recht erinnere. –<br />
Nein, Geld lockte m<strong>ich</strong> nun wahrhaftig n<strong>ich</strong>t, und ansonsten... na ja, allzu sehr geschmerzt<br />
hatte m<strong>ich</strong> <strong>da</strong>s Berammelt<strong>wer</strong><strong>den</strong> n<strong>ich</strong>t, aber <strong>da</strong>s Holterdiepolter, ran ans Waschbecken, und<br />
los ging’s, still halten, Maul halten... nee, <strong>da</strong>s war n<strong>ich</strong>t meins. Wo blieben die Küsse, die<br />
Liebkosungen, <strong>da</strong>s In-die-Arme-genommen-Wer<strong>den</strong>? Und runtergeholt wurde mir auch keiner,<br />
und <strong>den</strong> Schwanz von dem Mann hatte <strong>ich</strong> so quasi gar n<strong>ich</strong>t zu Ges<strong>ich</strong>t gekriegt; sonderl<strong>ich</strong><br />
lang, sonderl<strong>ich</strong> dick war er n<strong>ich</strong>t, <strong>da</strong>s hatte <strong>ich</strong> gespürt, aber mehr als <strong>da</strong>ss <strong>ich</strong> <strong>da</strong>mit haste,<br />
was kannste gerammelt wurde, hatte <strong>ich</strong> <strong>da</strong>von n<strong>ich</strong>t. – Nein, <strong>da</strong>s war mir zu wenig;<br />
nochmals lief <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t zu dem Mann, künftig benutzte <strong>ich</strong> einen Seiteneingang, wenn <strong>ich</strong><br />
zum Friedhof musste. Und <strong>den</strong> Sommer <strong>da</strong>rauf konnte <strong>ich</strong> wieder durchs Hauptportal schreiten;<br />
die Toilette war d<strong>ich</strong>t gemacht wor<strong>den</strong>. Baufällig, hieß es; kein Geld, sie instand zu setzen.<br />
Und als Ruine stand sie <strong>da</strong>nn noch ewig rum, und was aus dem hinken<strong>den</strong> Mann gewor<strong>den</strong><br />
ist, weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Kann sein, er ist von Xge weggezogen; je<strong>den</strong>falls sah <strong>ich</strong> ihn n<strong>ich</strong>t<br />
mehr.<br />
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