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den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

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trotzdem hingehen. – Ja Pustekuchen; die Tür war verschlossen, und n<strong>ich</strong>ts rührte s<strong>ich</strong>, als <strong>ich</strong><br />

anklopfte. Also musste <strong>ich</strong> wieder abziehen und war mächtig sauer. Fortan mied <strong>ich</strong> <strong>den</strong><br />

Weihnachtsmarkt; der Kerl von der Lotteriebude hatte s<strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong> erledigt. Und <strong>da</strong>ss mir in<br />

diesem Winter noch <strong>wer</strong> begegnete, mit dem s<strong>ich</strong> was anfangen ließ, <strong>da</strong>ran kann <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t erinnern. Nein, <strong>ich</strong> glaube, <strong>da</strong> war weiter n<strong>ich</strong>ts. Und auch <strong>da</strong>s <strong>da</strong>rauffolgende Frühjahr<br />

musste ver<strong>da</strong>mmt weit fortschreiten, bevor <strong>ich</strong> wieder auf einen neuen Mann traf, der mir<br />

zugetan war, wie bei einem Mann <strong>ich</strong> <strong>da</strong>s suchte. Ein Schauspieler vom Landestheater<br />

***chim war’s, und <strong>ich</strong> stand zum ersten Mal auf der Bühne. Ab Mai und bis zu <strong>den</strong> Theaterferien,<br />

und <strong>da</strong>nn noch einmal von Anfang September bis Ende November. Gespielt wurde in<br />

***chim selbst sowie in <strong>den</strong> „Abstecherorten“, wozu auch Xge gehörte. Das Stück war von<br />

Ibsen, „Klein Eyold“ war’s.<br />

In ***chim hatte man keinen Jungen gefun<strong>den</strong>, der die Rolle dieses Knaben Eyold hätte<br />

spielen können. Aber der Inten<strong>da</strong>nt wollte <strong>da</strong>s Stück unbedingt rausbringen. Ein wenig aus<br />

Nostalgie; er hatte näml<strong>ich</strong> selbst in Kindertagen als Eyold Allmers zum ersten Mal auf der<br />

Bühne gestan<strong>den</strong>. Und nun wollte er dessen Vater Alfred spielen und gle<strong>ich</strong>zeitig Regie führen.<br />

– Tja, aber woher <strong>den</strong> Jungen nehmen, der begabt genug war, diesen Eyold <strong>da</strong>rzustellen,<br />

der im Stück erst neun Jahre alt ist. Man suchte, in ***chim. leer ausgegangen, in <strong>den</strong> Xger<br />

Schulen, und stieß durch die Vermittlung meiner Deutschlehrerin auf m<strong>ich</strong>, der <strong>ich</strong> zwar<br />

schon zwölf war, auf dreizehn zusteuerte, aber mit meiner fragilen Statur und meinem Unschuldsges<strong>ich</strong>tchen<br />

durchaus noch für neun gehalten <strong>wer</strong><strong>den</strong> konnte, wenn <strong>da</strong>s Kostüm nur<br />

kindl<strong>ich</strong> genug ausfallen würde und der Haarschnitt desgle<strong>ich</strong>en. Also <strong>über</strong>redete man meine<br />

Mutter, m<strong>ich</strong> für eine Weile herzugeben. Ein Unterfangen, <strong>da</strong>s dem Inten<strong>da</strong>nten sowie meiner<br />

Deutschlehrerin und dem Direktor meiner Schule einige Mühe machte, aber schließl<strong>ich</strong> konnte<br />

Mutter der Ehre n<strong>ich</strong>t widerstehen, einen beim Theater gefragten Sohn ihr eigen zu nennen,<br />

und <strong>ich</strong> siedelte Mitte April nach ***chim <strong>über</strong>, ging dort nun vor<strong>über</strong>gehend in die Schule<br />

und stand nach dem Unterr<strong>ich</strong>t für die Proben bereit. Und einquartiert war <strong>ich</strong> in der Wohnung<br />

des Schauspielers, der in besagtem Ibsen-Stück <strong>den</strong> Ingenieur Borgheim spielte. – Waldemar<br />

hieß mein Wirt und „Kollege“, war 33 und geschie<strong>den</strong>, ging später ans Theater nach<br />

***<strong>da</strong>l, <strong>da</strong>nn nach Cottbus; ist lange tot, oder genauer: der Mann hat s<strong>ich</strong> tot gesoffen. Was<br />

<strong>da</strong>mals n<strong>ich</strong>t abzusehen war, wie der Hochbegabte einst en<strong>den</strong> würde. Damals war seine Welt<br />

noch im Lot; genauso im Lot wie die meine. – Damals, vor nunmehr 40 Jahren, als <strong>ich</strong> mit<br />

Feuereifer bei der Ibsenschen Sache war und im Theater der „Hahn im Korbe“. Es kam mir<br />

vor, als drehte s<strong>ich</strong> alles nur um m<strong>ich</strong>. Rufi vorn, Rufi hinten. Oder nein, bald hieß <strong>ich</strong><br />

„Rurú“. Was <strong>da</strong>her kam, <strong>da</strong>ss man für m<strong>ich</strong> auf dem Besetzungszettel einen Namen „mit<br />

Pfiff“ haben wollte. Es war zu jener Zeit übl<strong>ich</strong>, Kinder allenfalls unter ihrem Vornamen auftreten<br />

zu lassen, und meist wurde gar kein Name gedruckt, man machte drei Sternchen (***).<br />

Das aber mißfiel dem Inten<strong>da</strong>nten, wo es s<strong>ich</strong> doch um eine r<strong>ich</strong>tige Rolle handelte (wenn<br />

auch nur im ersten Akt), und deshalb suchte er nach einem hübschen Kompromiss, der nach<br />

einem Künstlernamen aussah. Und <strong>da</strong> s<strong>ich</strong> die Anfangsbuchstaben meines Vor- und Familiennamens<br />

herrl<strong>ich</strong>st verbin<strong>den</strong> ließen, sollte es auf dem Besetzungszettel heißen: Klein<br />

Eyold.............Rurú.<br />

Nun <strong>den</strong>n, ‚Rurú‘ fand <strong>ich</strong> toll, und alle um m<strong>ich</strong> herum fan<strong>den</strong> <strong>den</strong> neuen Namen amüsant<br />

und riefen m<strong>ich</strong> entsprechend: „Komm mal her, Rurú!“, „Willst’ was trinken, Rurú?“,<br />

„Lass d<strong>ich</strong> mal drücken, Rurú –“<br />

Mir ging’s also prächtig. Ich war so quasi „nach Hause gekommen“, der <strong>ich</strong> schon eine<br />

geraume Zeit vom Theater schwärmte, mir inständig wünschte, ein Schauspieler zu <strong>wer</strong><strong>den</strong>.<br />

Ich war sozusagen „bei mir selbst“; während der eigenen Proben, <strong>ich</strong> auf der Bühne; während<br />

der Proben der anderen, <strong>ich</strong> im Parkett und dem Regisseur gle<strong>ich</strong> einem Hospitanten zur Seite.<br />

Sofort nach Schulschluss war <strong>ich</strong> tagtägl<strong>ich</strong> zur Stelle. Und abends stand <strong>ich</strong> neben dem<br />

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