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den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

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„Na ihr habt ja einen gesun<strong>den</strong> Schlaf“, fand meine Oma, als wir endl<strong>ich</strong> runter in die<br />

Küche kamen, „<strong>ich</strong> <strong>da</strong>cht’ schon, Hildchen ist vor <strong>euch</strong> <strong>da</strong>.“<br />

Wenn Oma zu Besuch war, kam meine Mutter in ihrer Mittagspause immer nach Hause,<br />

und Oma hatte gekocht; auf pommersche Art. Meine Großmutter väterl<strong>ich</strong>erseits war bis zur<br />

Flucht Herbst 1944 Köchin auf einem Gut nahe Stolp gewesen. Von <strong>da</strong>her verstand sie ihr<br />

Fach wahrhaft meisterl<strong>ich</strong>, ob es was Einfaches gab oder was Raffiniertes. Selbst wenn sie<br />

nur Bratkartoffeln machte, Bratkartoffeln und Bauernsülze, die Sülze selbstverständl<strong>ich</strong> selbst<br />

gemacht, schleckte man s<strong>ich</strong> <strong>da</strong>nach alle zehn Finger. Im Kochen war diese Frau unschlagbar.<br />

Da hab’ <strong>ich</strong> mir, wenn sie bei uns in der Küche in Aktion trat, manches abgeguckt. Wozu <strong>ich</strong><br />

an dem Dienstag, von dem hier die Rede ist, selbstverständl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gekommen war. Da war<br />

schon so gut wie alles fix und fertig, als wir endl<strong>ich</strong> in der Küche erschienen und Oma in dem<br />

Glauben ließen, <strong>da</strong>ss der „gesunde Schlaf“ uns schier n<strong>ich</strong>t aus <strong>den</strong> Armen gelassen. – Na ja,<br />

was hätten wir auch sagen sollen, die wir die Zeit genutzt hatten, so gut es nur ging. Onkel<br />

Hans würde doch am Nachmittag abfahren, und wann man s<strong>ich</strong> wiedersah... bald, <strong>da</strong>s wollten<br />

wir alle Drei, aber <strong>da</strong>s musste erst organisiert <strong>wer</strong><strong>den</strong>. Hans war auf Grund seiner Frachtaufträge<br />

eigentl<strong>ich</strong> bis weit in <strong>den</strong> Spätherbst hinein restlos ausgebucht. Was an s<strong>ich</strong> alles andere<br />

als ein be<strong>da</strong>uerl<strong>ich</strong>er Umstand war; mit dem privaten Binnenschiffer-Ge<strong>wer</strong>be ging es näml<strong>ich</strong><br />

zu dieser Zeit schon deutl<strong>ich</strong> bergab, einerseits bedrängte es der Staat, wie er jedes private<br />

Ge<strong>wer</strong>be bedrängte, andererseits verlagerte s<strong>ich</strong> <strong>da</strong>s Frachtaufkommen auch in der DDR<br />

mehr und mehr auf die Landstraße. Was bedeutete, <strong>da</strong>ss längst n<strong>ich</strong>t mehr alle Binnenschiffer<br />

auftragsmäßig so gut dran waren wie Onkel Hans, der bislang mit viel Geschick, beträchtl<strong>ich</strong>em<br />

Fleiß und ein wenig Glück rund ums Jahr gut im Geschäft war. Und solches durfte er<br />

keineswegs le<strong>ich</strong>tfertig aufs Spiel setzen, hing doch seine Existenz dran, die eines Selbstständigen;<br />

Hans sein eigener Herr. – „Aber für uns schinde <strong>ich</strong> trotzdem Zeit raus, <strong>da</strong>rauf könnt<br />

ihr <strong>euch</strong> verlassen“, sagte mein Onkel, als Oswald und <strong>ich</strong> ihn zum Zug brachten, „<strong>ich</strong> müsst’<br />

Prügel kriegen, wenn <strong>ich</strong> mein Glück jetzt mit Füßen treten würde. Ich, der <strong>ich</strong> dreißig Jahre<br />

drauf gewartet habe. Wisst ihr, was <strong>da</strong>s heißt? Nee, könnt ihr n<strong>ich</strong>t, <strong>da</strong>zu seid ihr zu jung.<br />

Aber <strong>ich</strong> weiß, was es heißt, jahrein, jahraus nirgends wirkl<strong>ich</strong> <strong>da</strong>zuzugehören. Wem war <strong>ich</strong><br />

schon jemals w<strong>ich</strong>tig. Ja, ja, deinem Vater, Rufi. Aber <strong>da</strong>nn kam deine Mutter, und m<strong>ich</strong><br />

gab’s für <strong>Hermann</strong> nur noch am Rande. Und Hilmar... ja, ja, dem hab’ <strong>ich</strong> auch was bedeutet,<br />

dem bedeut’ <strong>ich</strong> ja immer noch was, aber im Grunde hat er was andres gesucht, so was wie<br />

Otto. Mit dem harmoniert er. Das ist anders als mit <strong>euch</strong>. Ja, ja, ihr seid auch ’n Liebespaar,<br />

<strong>da</strong>ss hab’ <strong>ich</strong> Sonnabend gle<strong>ich</strong> gesehen, als <strong>ich</strong> angekommen bin. Die haben was miteinander,<br />

<strong>da</strong>cht <strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> wette, die geh’n zusammen ins Bett. Aber wenn <strong>ich</strong> Glück hab’, lassen sie<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t bloß <strong>da</strong>zusteigen, so als Abwechlung, <strong>da</strong>mit es ’n bisschen bunter wird. So wie mir<br />

Hilmar <strong>da</strong>s in seinen Briefen angedeutet hat, <strong>da</strong>ss es mit ihm und Otto <strong>wer</strong><strong>den</strong> könnte, wenn<br />

<strong>ich</strong> sie besuchen käme. Wogegen <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts habe, versteht m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t falsch, aber irgendwo<br />

fehlt <strong>da</strong> die Liebe. Von ihrer Seite wie von meiner Seite. Letztl<strong>ich</strong> ist es nur ’n Ficken, so wie<br />

<strong>ich</strong> diesen Udo gefickt hab’. Aber mit <strong>euch</strong> ist es anders. Da <strong>wer</strong>d’ <strong>ich</strong> der Dritte. Bin <strong>euch</strong><br />

n<strong>ich</strong>t weniger, als ihr <strong>euch</strong> seid. Ist doch so, oder? Plötzl<strong>ich</strong> wird aus euer Zweisamkeit ’ne<br />

Art... Dreisamkeit. – Gibt es <strong>da</strong>s Wort <strong>über</strong>haupt? Ich glaub’ n<strong>ich</strong>t, aber trotzdem... so hab’<br />

<strong>ich</strong> <strong>da</strong>s jetzt alle Tage empfun<strong>den</strong>. R<strong>ich</strong>tiggehend als Dreisamkeit. Ich n<strong>ich</strong>t bloß ’ne Zutat,<br />

sondern so ganz und gar gle<strong>ich</strong>berechtigt. – Das war <strong>ich</strong> doch, oder?“<br />

Ja, <strong>da</strong>s war er. Das bestätigte ihm Oswald, <strong>da</strong>s bestätigte <strong>ich</strong> ihm. Nur eine „Zutat“, oder<br />

<strong>da</strong>mit es zwischen Oswald und mir „bunter“ würde, war Hans uns n<strong>ich</strong>t. – Nee, absolut n<strong>ich</strong>t.<br />

Und so sollte es auch bleiben. Waren wir, wenn es s<strong>ich</strong> künftig ergab, durch Onkel Hans zu<br />

dritt, waren wir Drei ein Gespann. Da war ‚Dreisamkeit‘ schon <strong>da</strong>s rechte Wort, auch wenn<br />

der Du<strong>den</strong> dieses Wort bis heute n<strong>ich</strong>t verze<strong>ich</strong>net. Aber zwischen Hans, Oswald und mir<br />

hat’s Dreisamkeit wirkl<strong>ich</strong> gegeben. Wenn auch mit niemandem sonst, mit dem Oswald und<br />

<strong>ich</strong> je in einem Bett gelandet sind. Nein, jeder andere war wirkl<strong>ich</strong> nur eine Zutat, einer, der es<br />

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