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den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

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Wieder ein heißer Tag, wieder ein Abend, an dem es s<strong>ich</strong> kaum abkühlte. Als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

auf <strong>den</strong> Weg machte, so gegen Dreiviertel sieben, hatten wir noch immer 29 oder gar 30 Grad,<br />

und die Sonne war noch n<strong>ich</strong>t untergegangen und am Himmel kein Wölkchen. – „Na Rufi, wo<br />

<strong>will</strong>st’ <strong>den</strong>n noch hin?“ fragte Herr Krüger, unser Nachbar, der vor seinem Haus hitzeversengte<br />

Grashälmchen aus <strong>den</strong> Pflasterritzen des Fußwegs zupfte.<br />

„Ich geh’ noch mal zu Omi und Opa rum“, antwortete <strong>ich</strong> auf Herrn Krügers Frage und<br />

hüpfte von <strong>da</strong>nnen, rum um die Straßenecke, rauf auf die Auenstraße und immer geradeaus,<br />

am Wasserturm vorbei und vorbei am Stadtpark und hin zur Ernst-Thälmann-Straße, und von<br />

<strong>da</strong> an quer durch die Stadt, die mir Freitag Abend gegen sieben schon nahezu wie ausgestorben<br />

vorkam. Ich <strong>über</strong>querte <strong>den</strong> Markt, <strong>ich</strong> <strong>über</strong>querte die Hauptstraße, <strong>ich</strong> kam ins Ge<strong>wer</strong>begelände,<br />

<strong>ich</strong> lief am Haushaltsgeräte<strong>wer</strong>k vorbei... und zehn Minuten später huschte <strong>ich</strong> hinter<br />

die Büsche des Waldstücks, <strong>da</strong>s bar jeder Hege und Pflege an der Landstraße nach B. (einem<br />

nahen Dorf) und gegen<strong>über</strong> der Baustelle und <strong>den</strong> Papier<strong>wer</strong>ken langsam, aber s<strong>ich</strong>er vor s<strong>ich</strong><br />

hin verwilderte und mir, dem Kurzbehosten, auch sogle<strong>ich</strong> die nackten Beine zerkratze. Worauf<br />

<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t achtete; <strong>ich</strong> linste zwischen dem Blatt<strong>wer</strong>k der Sträucher hindurch r<strong>über</strong> auf die<br />

Baustelle, von der doch einer der Männer kommen wollte, m<strong>ich</strong> abzuholen. – Ich wartete und<br />

wartete, doch zunächst rührte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts auf dem der Landstraße gegen<strong>über</strong>liegen<strong>den</strong> Gelände;<br />

die Baustelle machte einen ganz und gar verlassenen Eindruck.<br />

‚Hatten die Männer m<strong>ich</strong> vergessen?‘ ging es mir durch <strong>den</strong> Kopf, der <strong>ich</strong> in diesen Momenten<br />

sowohl was für’s NEIN als auch für’s JA gegeben hätte, <strong>den</strong>n einerseits wollte <strong>ich</strong><br />

diese braungebrannten vierschrötigen Kerle; es zog m<strong>ich</strong> zu ihnen, m<strong>ich</strong> verlangte nach ihnen,<br />

aber andererseits kam mir jetzt wieder Karl-Heinz’ Rede vom „Massenfick“ in <strong>den</strong> Sinn. –<br />

Ach du ahnst es n<strong>ich</strong>t, was würde aus mir, wenn sie m<strong>ich</strong> nun tatsächl<strong>ich</strong> alle? Einer wie der<br />

andere, und n<strong>ich</strong>ts als <strong>da</strong>s eine, und <strong>da</strong>s vielle<strong>ich</strong>t stun<strong>den</strong>lang, so lange bis sie m<strong>ich</strong> wieder<br />

nach Hause ließen? – Sollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t lieber wegrennen?<br />

Aber <strong>ich</strong> rannte n<strong>ich</strong>t weg, <strong>ich</strong> linste stattdessen durch die Büsche, als stünde <strong>ich</strong> <strong>da</strong> wie<br />

festgewachsen, und irgendwann sah <strong>ich</strong>, <strong>da</strong>ss ein Mann <strong>über</strong> die Baustelle lief. Raus aus dem<br />

Tor, r<strong>über</strong> <strong>über</strong> die Landstraße. Und <strong>ich</strong> erkannte <strong>den</strong> Polier.<br />

„Ich bin hier“, rief <strong>ich</strong> gedämpften Tons, und dieser Reinhard, s<strong>ich</strong> quer durch die Büsche<br />

gefuhr<strong>wer</strong>kt, stürzte sofort auf m<strong>ich</strong> zu, umschlang m<strong>ich</strong>, presste m<strong>ich</strong> an s<strong>ich</strong>, schnarrte:<br />

„Du, Rufi, du, hör mal, wollen wir die andern sausen lassen? Wollen wir in’ Wald? Nur du<br />

und <strong>ich</strong>? Die andern brauchst du doch gar n<strong>ich</strong>t. Von mir kriegst’ es doppelt und dreifach.<br />

Das kriegst du von keinem. Wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, Rufi, <strong>da</strong>s kriegst’ nur von mir. Kommst mit mir<br />

mit?“<br />

„Aber wieso <strong>den</strong>n? Ich soll doch –“<br />

„– nix sollst du!“ unterbrach m<strong>ich</strong> der Mann, schnappte mir nach <strong>den</strong> Lippen, verschloss<br />

mir mit <strong>den</strong> seinen <strong>den</strong> Mund, küsste m<strong>ich</strong> k<strong>euch</strong>en<strong>den</strong> Atems, tatschte an mir, grabschte an<br />

mir und schob mir auch gle<strong>ich</strong> eine Hand unter einen der Beinlinge meiner kurzen Hose,<br />

patschte mir ans Gemächt, walkte es gierig, walkte es grob, und <strong>ich</strong> entkam diesem k<strong>euch</strong>en<strong>den</strong><br />

Mund, aber <strong>ich</strong> kam n<strong>ich</strong>t zum Schreien; von mir weggezerrt ward der Polier, der jetzt<br />

brüllte: „Lasst m<strong>ich</strong> los, ihr Idioten! Was soll <strong>da</strong>s?!“<br />

„Das weißt du genau. Entweder alle oder gar keiner“, schnaubte Karl-Heinz, gemeinsam<br />

mit Ulr<strong>ich</strong> <strong>den</strong> Polier fest im Griff, und Er<strong>ich</strong> und Ossi stürzten in diesem Moment durchs<br />

Gebüsch, stürzten hinzu, und Ossi packte m<strong>ich</strong>, fragte kehligen Tons: „Hat er dir weh getan?“<br />

„Nein“, kriegte <strong>ich</strong> grad so heraus, hörte sogle<strong>ich</strong>: „Na <strong>da</strong>nn komm mit. Na komm schon.<br />

So was passiert n<strong>ich</strong>t noch mal. – Reinhard, du bist’n Schwein.“<br />

„Ich bin geil, weiter n<strong>ich</strong>ts. Und jetzt lasst m<strong>ich</strong> los“, knurrte der Polier, schaute auf<br />

m<strong>ich</strong>, k<strong>euch</strong>te: „Sag ihnen, sie sollen m<strong>ich</strong> los lassen. Ich hab’ dir doch n<strong>ich</strong>ts getan, oder?“<br />

Ich, arg verstört, hauchte ein „Nein“, und der Polier brubbelte: „Na bitte, <strong>da</strong> habt ihr’s.<br />

Und jetzt lasst m<strong>ich</strong> los.“<br />

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