den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...
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te, und derer hatte <strong>ich</strong> sehr bald viele. Sonderbar war’s. Als Herr Zange m<strong>ich</strong> begehrens<strong>wer</strong>t<br />
gefun<strong>den</strong> und dementsprechend zugegriffen hatte, kam mir <strong>da</strong>s Begehrt<strong>wer</strong><strong>den</strong> schier <strong>über</strong>all<br />
entgegen. Plötzl<strong>ich</strong> war Rudolf/Rufi Rubinek zum Objekt gewisser männl<strong>ich</strong>er Begier<strong>den</strong><br />
gewor<strong>den</strong>.<br />
Verhielt <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> Männern gegen<strong>über</strong> jetzt womögl<strong>ich</strong> anders als früher? Waren mir etwa<br />
meine geheimen Wünsche, einmal entfacht, derart ins Ges<strong>ich</strong>t geschrieben, <strong>da</strong>ss, <strong>wer</strong> die<br />
Ze<strong>ich</strong>en zu deuten wusste, m<strong>ich</strong> gle<strong>ich</strong> auch zu kassieren <strong>den</strong> Mut fand? – Na Vors<strong>ich</strong>t, viel<br />
Mut gehörte n<strong>ich</strong>t <strong>da</strong>zu, war <strong>ich</strong> doch viel zu treuherzig-naiv, blieb ohne Arg, egal, was mir<br />
zuvor irgendwo und mit irgendwem passiert war. Tief oder nachhaltig ein grub es s<strong>ich</strong> je<strong>den</strong>falls<br />
n<strong>ich</strong>t. Zurück<strong>den</strong>kend muss <strong>ich</strong> meinem Kinderseelchen eine HORNHAUT attestieren.<br />
Bin aber versucht zu behaupten, solches hat m<strong>ich</strong> bewahrt. Genussblockiert machte m<strong>ich</strong> je<strong>den</strong>falls<br />
niemand, egal, was mir durch wen auch immer widerfuhr. Wenn es mir schlimm ergangen<br />
war, schlief <strong>ich</strong> mir aus Leib und Seele, was Leib und Seele gequält, und lief neuerl<strong>ich</strong><br />
los. Wovon noch die Rede sein wird. – Dies ist die Gesch<strong>ich</strong>te eines Jungen, der es n<strong>ich</strong>t<br />
lassen konnte.<br />
Viele Männer, die in Xge von nun an nach mir griffen, waren übrigens verheiratet und<br />
meist auch Familienväter. Sonntags, wenn <strong>ich</strong> mit meiner Mutter spazieren zu gehen hatte,<br />
sah <strong>ich</strong> <strong>den</strong> einen und anderen mit Frau und Kindern artig auf der Elbde<strong>ich</strong>promenade flanieren.<br />
Mitunter wurde meine Mutter, die viele vom Kassenschalter der Bank her kannten, n<strong>ich</strong>t<br />
nur gegrüßt, sondern auch angesprochen. „Na, Frau Rubinek, genießen Sie auch <strong>da</strong>s schöne<br />
Wetter?“<br />
Niemals wäre Frau Rubinek oder wären Frau und Kinder des betreffen<strong>den</strong> Mannes bei<br />
solchen Schwätzchen auf <strong>den</strong> Ge<strong>da</strong>nken gekommen, <strong>da</strong>ss Rudolf Rubinek, also der kleine<br />
Rufi, und der Herr X sexuell schon mal aneinander zugange gewesen waren, oder gar mehrmals,<br />
oder <strong>da</strong>ss sie s<strong>ich</strong> womögl<strong>ich</strong> an verschwiegenen Orten gar ständig trafen, s<strong>ich</strong> bereits<br />
schon wieder verabredet hatten: „Donnerstag, Rufi? Hast’ Donnerstag Zeit? Sagen wir wieder<br />
um vier hinterm Sportplatz? Ecke Benischer Weg?“ – Nein, <strong>da</strong>ss es solche Beziehungen zwischen<br />
mir und so manchen Mann gab, <strong>da</strong>rauf kam keiner, der <strong>da</strong>rauf n<strong>ich</strong>t kommen durfte.<br />
Doch nun erst einmal zurück zur Chronologie, also zu dem was Herr Zange in mir gerade<br />
erst abrupt ausgelöst hatte: die Gier nach Männern der besonderen Art. Ich, Rufi, der Elfjährige,<br />
war n<strong>ich</strong>t mehr zu bremsen. Ich <strong>über</strong>legte zwanghaft, wo <strong>ich</strong> solche Männer erhaschen<br />
könnte. Was waren die Orte, wo <strong>ich</strong> auf jeman<strong>den</strong> stieß, der mit mir was anstellen wollte und<br />
<strong>da</strong>zu auch Gelegenheit fand? Wo war was mögl<strong>ich</strong>?<br />
Zunächst „entdeckte“ <strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong> an einem Ferienvormittag Anfang Juli ’54 (n<strong>ich</strong>t lange<br />
nach Herrn Zanges Ableben) <strong>da</strong>s FREIBAD, die sogenannte Badeanstalt zwischen Elbe und<br />
De<strong>ich</strong>. Hatte <strong>ich</strong>, der <strong>ich</strong> wasserscheu war, diesen Ort bisher eher gemie<strong>den</strong>, so zog er m<strong>ich</strong><br />
nun <strong>mag</strong>isch an. Ich lagerte m<strong>ich</strong> auf die Liegewiese nahe der Becken und linste auf die Männer,<br />
die mit triefnassen Badehosen dem Wasser entstiegen. Solche Textilien, pitschnass die<br />
Len<strong>den</strong> umspannend, gaben mehr preis, als <strong>da</strong>ss sie verdeckten. Sie ließen m<strong>ich</strong> je<strong>den</strong>falls<br />
ahnen, was an Gemächtsgröße in ihnen steckte. – Hübsch anzusehen, keine Frage, nur war<br />
mir solches bald n<strong>ich</strong>t mehr genug; entblößt wollte <strong>ich</strong> sehen, worauf <strong>ich</strong> gierig aus war. Also<br />
zog es m<strong>ich</strong> nach etwa anderthalb Stunde zu <strong>den</strong> sechs oder sieben hölzernen Umkleidekabinen<br />
für Männer. Diese Verschläge, fernab des Badegeschehens im Schatten des De<strong>ich</strong>s gelegen,<br />
waren uralt und nun schon mächtig ramponiert, ließen s<strong>ich</strong> allesamt n<strong>ich</strong>t mehr verriegeln;<br />
die Türen windschief, die Zusperrvorr<strong>ich</strong>tungen defekt. Also sagte mir mein kindl<strong>ich</strong>es<br />
Köpfchen, <strong>da</strong>s ein helles war: Bei <strong>den</strong> Umkleidekabinen könnte was mögl<strong>ich</strong> sein, und also<br />
trieb <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> dort rum, Turnhose und Handtuch, so als wollte auch <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> umziehen, zur<br />
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