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den Stab über euch brechen mag wer da will, ich nicht - Hermann W ...

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fröhl<strong>ich</strong>, und Onkel Hans gab währenddessen seiner Schwägerin kund, <strong>da</strong>ss er zwei Tage länger<br />

bliebe; vorausgesetzt, sie hätte n<strong>ich</strong>ts <strong>da</strong>gegen. – Was eine rein rhetorische Anmerkung<br />

war; meine Mutter hatte selbstverständl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts <strong>da</strong>gegen, sie mochte <strong>den</strong> Halbbruder meines<br />

Vaters. Dem Hans stand unser Haus allezeit offen. Wovon er allerdings n<strong>ich</strong>t gerade häufig<br />

gebraucht machte, weil er s<strong>ich</strong> nur selten Urlaub gönnte, was s<strong>ich</strong> von nun an ändern sollte.<br />

Oswald und <strong>ich</strong> hörten am Nachmittag: „Nun wollen wir mal zusehen, <strong>da</strong>ss wir so oft wie<br />

mögl<strong>ich</strong> zusammenkommen. Wenigstens so alle zwei Monate. Wie und wo, <strong>da</strong>s <strong>wer</strong>d’ <strong>ich</strong><br />

schon noch ausklamüsern. Das heißt doch n<strong>ich</strong>t umsonst: Wo ’n Wille ist, <strong>da</strong> ist auch ’n<br />

Weg.“<br />

An diesem Nachmittag besuchten Hans, Oswald und <strong>ich</strong> Otto Stubbenhagen und Hilmar<br />

Klarwein. Hilmar war einst ein Binnenschiffer gewesen, der wie Onkel Hans jahrein, jahraus<br />

Oder und Neiße aufwärts und abwärts geschippert war. Aber vor fünf Jahren hatte er einen<br />

Unfall gehabt und der verstümmelte ihm <strong>den</strong> linken Fuß. Hilmar Klarwein, Hans’ Jahrgang<br />

und ebenfalls unverheiratet, gab sein Binnenschifferge<strong>wer</strong>be gezwungenermaßen auf und<br />

suchte s<strong>ich</strong> eine Arbeit an Land. Versuchte dies und <strong>da</strong>s, kam nirgends zurecht; war wohl<br />

auch drauf und dran, ein Trinker zu <strong>wer</strong><strong>den</strong>. Je<strong>den</strong>falls ging es ihm mies, als er im Frühjahr<br />

1959 zu einem Kuraufenthalt in Warnemünde gelandet war und dort in einer Kneipe einen<br />

älteren Urlauber kennenlernte, der in L., einem Elbdorf nahe Xge., eine kleine Korbflechterei<br />

besaß, die er gern, obwohl ohne Erben, in jüngere Hände gegeben hätte. Auf Rentenbasis, und<br />

viel müsste an Rente pro Monat n<strong>ich</strong>t rausspringen. Und Hilmar, dem die Kunst der Korbflechtens<br />

n<strong>ich</strong>t fremd war, sein Großvater mütterl<strong>ich</strong>erseits hatte sie ausgeübt, war in der<br />

Kneipe ins Grübeln gekommen, und nach dem soundsovielten Glas waren Hilmar Klarwein<br />

(46) und der Korbflechterei-Inhaber Otto Stubbenhagen (64) n<strong>ich</strong>t nur bierselig, sondern s<strong>ich</strong><br />

<strong>da</strong>r<strong>über</strong> hinaus auch mehr als einig; der eine brach am Tag <strong>da</strong>rauf seine Kur ab, der andere<br />

seinen Urlaub, und schon ging’s ab nach L., wo Hilmar, seinen Greifswalder Wohnsitz aufgegeben,<br />

die Arbeit gekündigt, sechs Wochen später mit Sack und Pack und somit endgültig<br />

landete, und für <strong>den</strong> einen wie für <strong>den</strong> anderen Mann war es ein Segen, einander begegnet zu<br />

sein. Was auch meine Mutter wusste, <strong>den</strong>n Otto Stubbenhagen hatte seine Konten auf der<br />

Bank, in der sie am Kassenschalter stand und wo sie eines Tages von dem Mann gehört hatte:<br />

„Ich sag’s Ihnen, wie es ist, Frau Rubineck: Der Hilmar, der ist für m<strong>ich</strong>, als wär’ er mein<br />

eigen Fleisch und Blut. Ich hab’ auf meine alten Tage tatsächl<strong>ich</strong> noch ’n Sohn gekriegt.“<br />

Und als dieser ‚Sohn‘ mal die Bankgeschäfte zu erledigen kam, hatte es geheißen: „Wissen<br />

Sie, an wen <strong>ich</strong> grad ’n Brief in Kasten gesteckt habe, Frau Rubineck? An ihren Schwager.<br />

Hab’ Hans geschrieben, wenn er Sie mal wieder besucht, <strong>da</strong>nn muss er unbedingt bei uns<br />

vorbeikommen. Er wär’ jederzeit herzl<strong>ich</strong> <strong>will</strong>kommen. Auch bei Otto. Na, <strong>den</strong> kennen Sie ja<br />

lange genug. Das ist ’ne Seele von Mensch. Sie, bei dem, <strong>da</strong> fühl’ <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> aufgehoben wie<br />

schon lange n<strong>ich</strong>t mehr. Ich hoffe, Otto wird hundert.“ – Na ja, ganz so weit hat Otto Stubbenhagen<br />

<strong>da</strong>s n<strong>ich</strong>t gebracht, aber immerhin ist er 91 gewor<strong>den</strong> und war bis auf die letzten<br />

zwei, drei Wochen bei guter Gesundheit. Wenn auch n<strong>ich</strong>t mehr potent. Die Potenz war ihm<br />

schon mit 80 verebbt. Aber immerhin: Bis 80, <strong>da</strong> ging’s noch.<br />

Woher <strong>ich</strong> <strong>da</strong>s weiß? – Weil mein Kontakt zu Otto und Hilmar seit diesem Sonntagnachmittag,<br />

als Onkel Hans mit Oswald und mir bei <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> als Besucher ankamen, nie<br />

wieder abgebrochen ist. Der Grund: Die bei<strong>den</strong> waren mitn<strong>ich</strong>ten Geschäftspartner oder einer<br />

des anderen Nachfolger, wie alle Welt annahm, sondern ein Ehepaar. Was Oswald und <strong>ich</strong><br />

erfuhren, als wir mit Onkel Hans nach L. wanderten. Wir hörten, <strong>da</strong>ss er mit Hilmar, als der<br />

noch der Binnenschiffahrt angehangen hatte, ab und an ins Bett gegangen war. Immer wenn<br />

es s<strong>ich</strong> ergeben hatte; <strong>da</strong>s heißt, immer wenn sie im selben Hafen fest gemacht hatten. „Was<br />

<strong>ich</strong> <strong>euch</strong> nie preisgeben würde, wenn wir n<strong>ich</strong>t die letzte Nacht gehabt hätten“, sagte Hans,<br />

„aber <strong>da</strong>nn würd’ <strong>ich</strong> <strong>euch</strong> jetzt auch n<strong>ich</strong>t mitnehmen. Dann würd’ <strong>ich</strong> <strong>da</strong> mein Ding allein<br />

machen, und <strong>da</strong>nach nach Frankfurt zurückfahren. Aber so wie es s<strong>ich</strong> jetzt ergeben hat, ist es<br />

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