Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
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Lehrkompetenz und Kompetenzentwicklung bei Studierenden | Seite 123<br />
Mythos guter Lehre, individuelles Coaching und die<br />
Wirksamkeit gen<strong>der</strong>integrativer Lehrinterventionen<br />
Sigrid Metz-Göckel, Marion Kamphans, Christiane Ernst, Anna Funger<br />
Abstract<br />
<strong>Der</strong> Beitrag 1 blickt <strong>aus</strong> verschiedenen Perspektiven auf das Lehren. Zum Einen liefert er<br />
einen <strong>aus</strong>gewählten Einblick in das BMBF-Forschungsprojekt „LeWI – Lehre, Wirksamkeit<br />
und Intervention“. Dieses hat auf <strong>der</strong> Basis von 80 qualitativen Interviews mit Hochschullehrenden<br />
<strong>der</strong>en Einstellung zur Lehre und die Bedeutung <strong>der</strong> Geschlechterthematik für die<br />
Lehr-Lern-Interaktion untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass sich Lehrende<br />
unterschiedlich offen zeigen für hochschuldidaktische Fragen sowie für Lehrverän<strong>der</strong>ungen.<br />
Zum an<strong>der</strong>en wird das LeWI-Coaching vorgestellt und über erste Erfahrungen mit diesem<br />
Konzept in <strong>der</strong> Lehre berichtet. Das <strong>aus</strong> dem Forschungsprojekt her<strong>aus</strong> entwickelte LeWi-<br />
Coaching ist ein Format, das im engeren Sinne auf die Optimierung <strong>der</strong> individuellen<br />
Lehrkompetenz zielt und im Weiteren auf eine Verbesserung des studentischen Lernens. Es<br />
kombiniert eine hochschuldidaktische Begleitung mit Reflexionsschleifen und mit einer<br />
wissenschaftlichen Begleitforschung. Es bietet einen Ansatzpunkt, schrittweise<br />
Verän<strong>der</strong>ungen auf Seiten <strong>der</strong> Lehrenden zu initiieren und zu einer nachhaltigen<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Lehre im Sinne einer aktivierenden und gen<strong>der</strong>(diversity-)sensiblen Lehre<br />
beizutragen.<br />
1. Eine merkwürdige Ausgangssituation<br />
„Sie waren immer das Schreckgespenst für mich“, sagte Sigrid Metz-Göckel ein kürzlich<br />
emeritierter Kollege unverblümt ins Gesicht, als sie ihm anlässlich einer akademischen Feier<br />
vorgestellt wurde, und weiter: „Ich habe immer gegen die Hochschuldidaktik gewettert“.<br />
Diese schroffe Direktheit war verblüffend, eröffnete aber ein sehr aufschlussreiches<br />
kollegiales Gespräch. Mit ihrem Namen verband <strong>der</strong> Kollege <strong>aus</strong> den Naturwissenschaften<br />
eine ungemein angststeigernde, ja schreckenerregende Kontrolle seiner Lehre. „Sie können<br />
sich nicht vorstellen wie anstrengend es ist, eine Vorlesung vor 200 und mehr Studierenden<br />
zu halten. Ich war hinterher immer ganz verschwitzt und erschöpft. Es ist unglaublich schwer,<br />
eine große Vorlesung hinter sich zu bringen“. Wie bei einem Dammbruch das Wasser, so<br />
heftig strömten die Worte <strong>aus</strong> ihm her<strong>aus</strong>. Seit Sigrid Metz-Göckel <strong>aus</strong> dem aktiven<br />
Hochschuldienst <strong>aus</strong>gestiegen ist, haben ihr mehrere Kollegen in informellen Gesprächen<br />
ungefragt erzählt, wie ungern sie lehren und wie schwierig es für sie sei, insbeson<strong>der</strong>e die<br />
großen Vorlesungen und Pflichtveranstaltungen zu halten. Anschließend folgt oft die direkte<br />
Frage, ob auch Sigrid Metz-Göckel große Vorlesungen gehalten hätte, um abzuschätzen, ob<br />
sie wisse, wovon die Rede ist.<br />
Professor(inn)en wird einfach unterstellt, dass sie lehren können und wollen und es auch gut<br />
über die Bühne bringen. Was alles dahinter steckt, die dunkle Wolke und Grauzone,<br />
mögliche (Versagens-)Ängste, (Un-)Lust und (un)angenehmer Leistungsdruck werden selten<br />
öffentlich thematisiert. Neben <strong>der</strong> emotionalen Seite des Lehrens existieren mannigfache<br />
1 Erstabdruck in: Auferkorte-Michaelis/Ladwig/Stahr (2010).