Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Qualitätsentwicklung und -steuerung | Seite 261<br />
Die erste Orientierung ist durch eine lehrendenzentrierte Strategie gekennzeichnet, wobei<br />
<strong>der</strong>/die Dozierende vor allem die Intention hat, den Studierenden Fachwissen zu vermitteln.<br />
In diesem <strong>Prozess</strong> <strong>der</strong> Wissensübermittlung liegt <strong>der</strong> Fokus auf Fakten und Fertigkeiten,<br />
aber nicht auf dem Zusammenhang bei<strong>der</strong>. Das Vorwissen <strong>der</strong> Studierenden wird nicht<br />
beachtet und es wird davon <strong>aus</strong>gegangen, dass Studierende im Lehr-/Lernprozess nicht<br />
aktiv sein müssen (vgl. Kember 1997; Trigwell/Prosser 1996a; Trigwell/Prosser/Waterhouse<br />
1999).<br />
Die zweite Orientierung wird durch eine starke Studierendenzentrierung charakterisiert, bei<br />
<strong>der</strong>/die Dozierende anstrebt, die Studierenden vor allem in <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung ihrer Konzepte und<br />
Wissensstrukturen zu unterstützen. Den Studierenden wird eine aktive Rolle zugeschrieben,<br />
wobei sie ihr eigenes Wissen konstruieren. <strong>Der</strong>/die Dozierende legt den Fokus darauf, was<br />
Studierende in den Lehr- und Lernsituationen machen. <strong>Der</strong>/die Dozierende ist überzeugt<br />
davon, dass er/sie ein neues Weltbild o<strong>der</strong> eine neue Wissensstruktur nicht einfach<br />
übertragen kann, son<strong>der</strong>n dass Studierende ihr Wissen selber konstruieren müssen, um ein<br />
neues Weltbild o<strong>der</strong> eine neue Wissensstruktur zu produzieren (vgl. Kember 1997;<br />
Trigwell/Prosser 1996a; Trigwell/ Prosser/Waterhouse 1999).<br />
Gen<strong>aus</strong>o wie die studentischen Lernorientierungen keine unverän<strong>der</strong>baren Merkmale sind,<br />
ist eine unterschiedliche Ausprägung <strong>der</strong> lehrendezentrierten und studierendezentrierten<br />
Lehrorientierung in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen o<strong>der</strong> im Verlauf <strong>der</strong> Zeit bei<br />
Dozierenden möglich (Kember 1997; Trigwell/Prosser 1996b; Samuelowicz/Bain 2001).<br />
Wie im Abschnitt zum <strong>Bologna</strong>-<strong>Prozess</strong> erläutert wurde, ist ein Kernziel die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
studentischen Kompetenzen. Die zentrale Frage ist nun, auf welche Weise dieses Ziel<br />
erreicht werden kann. Dazu soll im nächsten Abschnitt dargestellt werden, wie<br />
Lehrorientierungen, Lernorientierungen und Kompetenzzuwächse zusammenhängen.<br />
2.3. <strong>Der</strong> Zusammenhang zwischen Lehrorientierungen,<br />
Lernorientierungen und Lernzuwachs<br />
In einer Reihe von empirischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass im Vergleich zu<br />
Studierenden mit einer oberflächlichen Lernorientierung Studierende mit einer tiefen<br />
Lernorientierung Lernergebnisse produzieren, die ein gründlicheres Verständnis des Stoffes<br />
zeigen und die Entwicklung von neuen und komplexeren Wissensstrukturen des Lernstoffs<br />
nachweisen (vgl. u.a. Marton/Säljö 1997; Prosser/Millar 1989; Ramsden 1992; Trigwell/<br />
Prosser 1991; van Rossum/Schenk 1984). Die Frage, ob Lehrorientierungen von<br />
Dozierenden mit den studentischen Lernorientierungen zusammenhängen, wurde zunächst<br />
qualitativ untersucht und konnte bestätigt werden (vgl. Martin/Ramsden 1998; Marton/Booth<br />
1997; Patrick 1992). Mittlerweile liegen auch quantitative Studien vor, welche den<br />
Zusammenhang zwischen Lehrorientierungen und Lernorientierungen bestätigen. Wenn<br />
Dozierende ihre Lehrorientierung als lehrendenzentriert beschreiben, unterrichten sie sehr<br />
wahrscheinlich Studierende, welche ihre Lernorientierung als eher oberflächlich beschreiben<br />
(vgl. Trigwell/Prosser/Waterhouse 1999). Dass die Beziehung zwischen Lehrorientierung und<br />
Lernorientierung nicht nur von korrelativer Art ist, son<strong>der</strong>n einen k<strong>aus</strong>alen Zusammenhang<br />
hat, demonstriert eine Studie von Gibbs und Coffey (2004) mit Dozierenden von 22<br />
Universitäten <strong>aus</strong> acht unterschiedlichen Län<strong>der</strong>n. Nachdem die Studierendenzentrierung<br />
<strong>der</strong> Dozierenden aufgrund einer Weiterbildung zunahm, entwickelten ihre Studierenden<br />
parallel dazu eine weniger oberflächliche Lernorientierung. Im Hinblick auf die durch den<br />
<strong>Bologna</strong>-<strong>Prozess</strong> vorgeschriebene Kompetenzorientierung gibt es aktuelle Studien, welche