Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
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Studiengestaltung und Studierverhalten | Seite 63<br />
Auch wenn die Dokumentenanalyse also eine Momentaufnahme ist und ihre Ergebnisse<br />
trotz sorgfältiger Auswahl <strong>der</strong> Untersuchungsgegenstände keine Repräsentativität<br />
beanspruchen können, gibt sie doch deutliche Hinweise, dass einige Themen aktuell<br />
beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit verdienen. Dazu gehören vor allem die Transparenz (d.h. die<br />
Übersichtlichkeit <strong>der</strong> (Internet-) Darstellungen <strong>der</strong> Studiengänge sowie die Eindeutigkeit <strong>der</strong><br />
Regelungen und <strong>der</strong>en Durchschaubarkeit für die Studierenden), die Modularisierung und<br />
die Prüfungsdichte. Augenmerk benötigen zudem die Punkte Orientierung <strong>der</strong> Learning<br />
Outcomes an <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Studierenden, Anerkennung insbeson<strong>der</strong>e von im Ausland<br />
erbrachten Studienleistungen sowie Studierbarkeit in Teilzeit.<br />
Allerdings sind vermutlich nicht alle diese kritischen Punkte nur <strong>der</strong> neuen Studiengangstruktur<br />
geschuldet. Insbeson<strong>der</strong>e die vielfach identifizierten Probleme bei <strong>der</strong> Transparenz<br />
dürften hiermit kaum zusammenhängen. Heutzutage ist das Internet die wichtigste Quelle,<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> sich Studieninteressierte und Studierende über einen Studiengang informieren. Sind<br />
die dortigen Informationen (wie Studien- und Prüfungsordnungen, Modulhandbücher,<br />
Studienpläne u.Ä.) schwer zu finden, in sich wi<strong>der</strong>sprüchlich, sehr komplex, unvollständig,<br />
überlang o<strong>der</strong> gar veraltet, so ist es schwierig, sich ein Bild zu machen. Mehrstufige o<strong>der</strong><br />
mehrfach geän<strong>der</strong>te Studien- und Prüfungsordnungen, die nicht als konsolidierte Fassungen<br />
verfügbar sind, können ihre Funktion <strong>der</strong> eindeutigen und verbindlichen Information kaum<br />
erfüllen. Hier tut eine stärkere Orientierung an <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Studieninteressierten und<br />
Studierenden Not.<br />
In Reaktion auf Klagen von Studierendenseite hat die Kultusministerkonferenz (KMK) im<br />
Februar 2010 die Schaffung relativ großer Module (mit mindestens fünf Credits) mit nur einer<br />
Prüfung pro Modul grundsätzlich vorgegeben. Zum Zeitpunkt unserer Recherche war diese<br />
Vorgabe jedoch noch nicht umgesetzt. Die Prüfungsdichte in den Studiengängen ist<br />
differenziert zu betrachten, da weniger Prüfungen nicht unbedingt weniger Arbeitsaufwand<br />
für die Studierenden bedeuten. Ob viele zeitnahe kleinere Prüfungen als belasten<strong>der</strong><br />
empfunden werden als wenige größere Prüfungen in längeren Abständen, hängt in hohem<br />
Maße von Fachkulturen, konkreter Ausgestaltung und individuellen Präferenzen <strong>der</strong><br />
Studierenden ab. Daher kann eine hohe Prüfungszahl nicht unbedingt als hohe<br />
Prüfungsbelastung interpretiert werden. Zudem können große Module tendenziell die<br />
Mobilität behin<strong>der</strong>n, weil für die Anerkennung von Studienleistungen stets am ganzen Modul<br />
anzusetzen ist. Auch die nach wie vor mögliche Vielfalt von Modulgrößen kann die<br />
studentische Mobilität erschweren.<br />
Ein wesentliches Merkmal <strong>der</strong> Modularisierung sollte die Orientierung an den Lernenden<br />
sein: Module müssen Lernziele <strong>aus</strong>weisen und zu klar umrissenen Kenntnissen und<br />
Kompetenzen führen, den Learning Outcomes. Die Modulbeschreibungen dürfen sich daher<br />
nicht, wie vielfach geschehen, auf die Benennung <strong>der</strong> Präsentationsthemen <strong>der</strong><br />
entsprechenden Veranstaltungen beschränken. Dieser Perspektivwechsel steht oft noch<br />
bevor.<br />
Die problemlose Anerkennung von an <strong>aus</strong>ländischen Hochschulen erbrachten Leistungen ist<br />
eine wesentliche Vor<strong>aus</strong>setzung <strong>der</strong> internationalen Mobilität, die ein wichtiges Ziel des<br />
<strong>Bologna</strong>-<strong>Prozess</strong>es und <strong>der</strong> Umstellung <strong>der</strong> Studienstruktur ist. Die <strong>aus</strong>gewerteten<br />
Dokumente lassen auf einen deutlichen Nachholbedarf in <strong>der</strong> Praxis mehrerer Studiengänge<br />
schließen.