Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
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Seite 234 | „Gute Lehre“ <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> von Hochschulleitungen und Neuberufenen<br />
liegenden Gründen vorgelegt wurde. Auf diese Weise konnten drei in <strong>der</strong> Selbstbestimmungstheorie<br />
zentrale Formen <strong>der</strong> Handlungsregulation (extrinsische, identifizierte<br />
und intrinsische Motivation) unterschieden werden.<br />
Den Ergebnissen zufolge stimmen die Selbsteinschätzungen <strong>der</strong> Befragten mit den oben<br />
<strong>aus</strong>geführten (Fremd-)Urteilen <strong>der</strong> Hochschulleitungen überein. Neuberufene investieren<br />
nach eigener Aussage einen substanziellen Zeitanteil in lehrbezogene Belange und dieses<br />
Verhaltensmuster korrespondiert theoriekonform mit <strong>der</strong> in dieser Gruppe dominierenden<br />
Qualität <strong>der</strong> (selbstbestimmten) Lehrmotivation: Mehrheitlich widmen sich die Befragten <strong>der</strong><br />
Lehre, weil sie dies als freudvoll (intrinsische Motivation) o<strong>der</strong> sinnhaft (identifizierte<br />
Motivation) erleben. 9 Dass dieser Befund mit Resultaten <strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en Studien an<br />
Hochschullehrenden (z.B. Wilkesmann/Schmid 2010) übereinstimmt, in denen abweichende<br />
Rekrutierungs- und Erhebungsstrategien verfolgt wurden, spricht für die Robustheit <strong>der</strong><br />
Ergebnisse. So gewinnt die Frage an Bedeutung, unter welchen organisatorischen<br />
Bedingungen das offenbar vorhandene Potenzial <strong>aus</strong>geschöpft o<strong>der</strong> gar konterkariert wird.<br />
Erste Hinweise hierzu liefern Analysen zur prognostischen Bedeutung formal-juristischer<br />
Rahmenbedingungen. Während Gehalts- und Ausstattungsunterschiede (z.B.<br />
Eingruppierung in <strong>der</strong> W-Besoldung, Zahl <strong>der</strong> zugeordneten Mitarbeiter(innen)) keinen<br />
bedeutsamen Beitrag zur Aufklärung von Unterschieden in Art und Ausmaß des individuellen<br />
Lehrengagements leisten, zeigt sich eine deutliche Trennungslinie zwischen Neuberufenen<br />
an Fachhochschulen und Universitäten. Zwar gilt für beide Teilgruppen, dass <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
„selbstbestimmt motivierten“ Personen überwiegt und <strong>der</strong> in die Lehre investierte (relative)<br />
Zeitanteil umso höher <strong>aus</strong>fällt, je <strong>aus</strong>geprägter die selbstbestimmte Motivation ist. Das<br />
durchschnittliche, von FH-Mitglie<strong>der</strong>n berichtete Zeitinvestment in die Lehre überstieg das<br />
ihrer an Universitäten beschäftigten Kolleg(inn)en gleichwohl deutlich (72 vs. 41 %). Da sich<br />
diese Differenzen auch bei Kontrolle des Lehrdeputats zeigen und gleichgerichtete<br />
Unterschiede zwischen Fachhochschul- und Universitätsangehörigen in den persönlich<br />
gewünschten Zeitanteilen für die Lehre (54 vs. 34 %) beobachtbar sind, dürften in den<br />
Befunden nicht zuletzt divergierende berufliche Selbstverständnisse zum Ausdruck kommen.<br />
Wie aber kommen diese zustande? Die Klärung dieser Frage ist hochschulpolitisch äußert<br />
bedeutsam, da sich je nach Antwort an<strong>der</strong>e Handlungsempfehlungen ergeben.<br />
4.2.2. Personal<strong>aus</strong>wahl und Personaleinführung <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> Neuberufener<br />
Theoretisch bilden sich Rollenkonzepte im Verlauf <strong>der</strong> beruflichen Sozialisation her<strong>aus</strong>. So<br />
dürften Neuberufenen bei Stellenantritt ein Rollenverständnis mitbringen, welches stark<br />
durch vorangehende Erfahrungen und Anfor<strong>der</strong>ungen geprägt ist, die im Verlauf <strong>der</strong><br />
wissenschaftlichen Laufbahn von Seiten <strong>der</strong> „Scientific Community“, <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Hochschule und <strong>der</strong> „Peergroup vor Ort“ an sie herangetragen wurden. Die skizzierten<br />
Unterschiede in den lehrbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen zwischen FH- und<br />
Uni-Professor(inn)en könnten vor diesem Hintergrund als Folge von (Selbst-) Selektionsprozessen<br />
interpretiert werden.<br />
9 In Einklang mit an<strong>der</strong>en Studien liegen die Korrelationen zwischen den beiden selbstbestimmten Formen <strong>der</strong><br />
Lehrmotivation und <strong>der</strong> extrinsischen Motivation nahe Null. Dieser Befund unterstreicht, dass (auch) in <strong>der</strong><br />
<strong>Hochschulforschung</strong> verbreitete uni-dimensionale Konzeptionen zugunsten einer differenzierteren <strong>Sicht</strong>weise<br />
aufzugeben sind.