Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
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Institutionelle Rahmenbedingungen | Seite 197<br />
direkt einwirken können, noch auf das <strong>der</strong> jeweiligen Promotions- bzw. Habilitationsbetreuer(innen).<br />
Insgesamt wird an diesem Beispiel ein organisationaler Umgang mit Zielkonflikten deutlich,<br />
<strong>der</strong> Grundzüge eines sehr stark auf Dezentralität und Selbstorganisation setzenden<br />
Organisationsverständnisses mit „indirekten“ Steuerungselementen im Sinne eines Aufb<strong>aus</strong><br />
organisationaler Angebotsstrukturen auf <strong>der</strong> Universitätsebene zu kombinieren versucht, die<br />
nicht auf Zwang basieren. Das hierin zum Ausdruck kommende Selbstverständnis ist<br />
weiterhin das einer lose gekoppelten Expertenorganisation, an die angesichts neuer<br />
Aufgaben zentrale Organisationsstrukturen angeglie<strong>der</strong>t werden, ohne dass hier<strong>aus</strong> direkte<br />
Steuerungsambitionen resultieren.<br />
3.3. Lehre und Forschung als Kernaufgaben und -konflikt<br />
Bezogen auf die Kernaufgaben Lehre und Forschung zeigt sich, dass Lehranfor<strong>der</strong>ungen<br />
zunehmend auf <strong>der</strong> Agenda stehen, Forschung aber insgesamt höher gewichtet wird.<br />
Darüber hin<strong>aus</strong> fällt auf, dass neue Querschnittsaufgaben (Gen<strong>der</strong> Mainstreaming,<br />
Internationalisierung, Wissens- und Technologietransfer etc.) gegenüber den traditionellen<br />
Kernaufgaben von Universitäten und den hier<strong>aus</strong> resultierenden Zielkonflikten in den<br />
Hintergrund treten.<br />
Unisono sagten die befragten Hochschulleitungen, aber auch die Mitarbeiter(innen) in den<br />
Supportstrukturen <strong>aus</strong>, dass vor allem <strong>der</strong> <strong>Bologna</strong>-<strong>Prozess</strong> dazu geführt hätte, dass die<br />
Universitäten sich stärker mit Lehrbedingungen <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzen mussten. Verstärkt<br />
worden sei diese Entwicklung durch von Bundes- und Landesregierung aufgelegte<br />
För<strong>der</strong>programme für die Lehre sowie die im Herbst 2009 stattfindenden Studierendenproteste.<br />
Trotzdem räumt die Hälfte <strong>der</strong> Hochschulen <strong>der</strong> Forschung gegenüber <strong>der</strong> Lehre<br />
ein stärkeres Gewicht ein. Die an<strong>der</strong>e Hälfte <strong>der</strong> Hochschulen weist eine <strong>aus</strong>geglichene<br />
Gewichtung auf, wobei auch dort betont wird, dass die Forschung „überlebensnotwendig“<br />
(Zitat Hochschulleitung) sei. Da <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Grundmittel reduziert worden o<strong>der</strong> nicht im<br />
gleichen Maße wie die Studierendenanzahl gestiegen sei, würde stattdessen eine stärkere<br />
Finanzierung durch (Forschungs-)Drittmittel notwendig.<br />
Nach Ansicht aller Interviewpartner(innen) habe vor allem die Exzellenzinitiative dazu<br />
geführt, dass zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen in die Beantragung dieser<br />
Mittel investiert wurden. Forschung sei damit auf <strong>der</strong> Agenda <strong>der</strong> Hochschulen wie<strong>der</strong> in den<br />
Vor<strong>der</strong>grund gerückt und würde beim Auftreten von Zielkonflikten zwischen Forschung und<br />
Lehre zumeist priorisiert. Häufig wurde auch ein geringer „Marktwert“ <strong>der</strong> Lehre konstatiert:<br />
Dieser zeige sich auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> (Nachwuchs-)Wissenschaftler(innen), da für <strong>der</strong>en<br />
wissenschaftliche Reputation und Karriere die Forschungsproduktivität <strong>aus</strong>schlaggebend sei,<br />
aber auch auf organisationaler Ebene in Form einer mangelnden „Marktorientierung“ <strong>der</strong><br />
Studierenden. Diese würden die Wahl ihres Studienorts vor allem von <strong>der</strong> Wohnortnähe und<br />
weniger von <strong>der</strong> Breite o<strong>der</strong> Qualität des Lehrangebots abhängig machen. Weiterhin<br />
thematisiert werden Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Erfassung und Bewertung <strong>der</strong> Qualität in <strong>der</strong><br />
Lehre.<br />
Hervorzuheben ist, dass kollektive Akteurinnen und Akteure im Bewusstsein dieser<br />
(vorgegebenen) Anreizstrukturen von einem hohen Lehrengagement <strong>der</strong> Nachwuchswissenschaftler(innen)<br />
<strong>aus</strong>gehen, welches Hochschulleitungen und Mitarbeiter(innen) in den<br />
Supportstrukturen vor allem in <strong>der</strong> hohen intrinsischen Motivation begründet sehen. Diese