Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
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Seite 154 | Subjektive Kreativitätsverständnisse bei Lehrenden an <strong>der</strong> Universität<br />
kreative Verhalten bzw. auf kreative Problemlöseprozesse haben. West (2002) hebt darüber<br />
hin<strong>aus</strong> den Einfluss von Aufgabencharakteristika, <strong>der</strong> Gruppenzusammensetzung, von<br />
Gruppenprozessen und von sogenannten „external demands“ auf die Kreativität<br />
insbeson<strong>der</strong>e von Teams hervor.<br />
Um kreativitätsför<strong>der</strong>liches Lehrverhalten in universitären Lehr-/Lernkontexten zu erforschen,<br />
lassen sich prinzipiell zwei Wege differenzieren: Zum einen können Studierende nach ihrer<br />
subjektiven Meinung zum Leitungsverhalten <strong>der</strong> Lehrenden befragt werden. Diese<br />
subjektiven Wahrnehmungen sind entscheidend, ob ein kreativitätsför<strong>der</strong>liches Klima<br />
aufgebaut werden kann, dies belegen Studien zum Führungsverhalten allgemein und zum<br />
Führungsverhalten im Hinblick auf Kreativität im Beson<strong>der</strong>en. Zum an<strong>der</strong>en gehen wir davon<br />
<strong>aus</strong>, dass Subjektive Theorien und Haltungen zu Kreativität und Kreativitätsför<strong>der</strong>ung<br />
maßgeblichen Einfluss darauf haben, inwieweit Lehrende bereit sind, Studierende mit<br />
kreativitätsför<strong>der</strong>lichen didaktischen Szenarien und Aufgabenstellungen zu konfrontieren<br />
bzw. sie zur Entwicklung kreativer Lösungen her<strong>aus</strong>zufor<strong>der</strong>n. In unserer Studie haben wir<br />
den letztgenannten Weg eingeschlagen und Lehrende dreier Universitäten <strong>aus</strong> den<br />
Fachgebieten Informatik und Erziehungswissenschaft nach ihren subjektiven Konstruktionen<br />
zu Kreativität im Lehr-/Lernkontext befragt. Bevor diese Studie und ihre Ergebnisse näher<br />
dargestellt werden, wird im folgenden Abschnitt zunächst <strong>der</strong> Versuch unternommen,<br />
Kreativität im Kontext hochschulischer Lehr-/Lernprozesse näher zu charakterisieren.<br />
2. Kreativität – Bestimmung eines unbestimmten<br />
Phänomens<br />
Kreativität ist ein Konstrukt, für das es keine einheitliche Definition gibt. <strong>Der</strong> Minimalkonsens<br />
<strong>der</strong> divergierenden Begriffsbestimmungen besteht jedoch darin, dass durch Kreativität etwas<br />
Neues und Nützliches bzw. Wertvolles hervorgebracht wird (z.B. Sternberg 2006). So<br />
definiert Amabile (1997) Kreativität allgemein als die Produktion neuartiger und<br />
angemessener Ideen in jedem Bereich menschlicher Aktivität. Unter neu versteht sie<br />
Leistungen o<strong>der</strong> Ideen, die von dem abweichen, was bisher getan o<strong>der</strong> gedacht wurde. Als<br />
angemessen bezeichnet sie Ideen, die nicht absurd sind und zu einer Lösung eines<br />
Problems bzw. einer Aufgabenstellung beitragen o<strong>der</strong> im Rahmen einer spezifischen<br />
Gelegenheit genutzt werden können. Doch diese Betrachtungsweise führt in ein Dilemma:<br />
So kann etwas neu sein im Sinne eines „noch nie Dagewesenen“ o<strong>der</strong> es kann bezogen auf<br />
einen bestimmten Kontext o<strong>der</strong> Bezugsrahmen neu sein. Entsprechend differenzieren Hutter<br />
et al. (2010, S.11) zwischen „Novelty“ (neu im Rahmen eines Bezugssystems) und<br />
„Newness“ (neu im Sinne eines „noch nie Dagewesenen“). Im vorliegenden Beitrag<br />
verstehen wir unter Kreativität in hochschulischen Lernprozessen und unter Bezugnahme auf<br />
den o.g. „Novelty“-Begriff „Ideen o<strong>der</strong> Leistungen von Studierenden, die zu einer originellen<br />
Lösung eines Problems o<strong>der</strong> einer Aufgabenstellung führen und/o<strong>der</strong> die einen reichhaltigen<br />
fachspezifischen Kontext erzeugen und so neue Problem- o<strong>der</strong> Fragestellungen eröffnen“<br />
(vgl. Carell/Schaller 2010).<br />
Weitere Relativierungen des Neuigkeitsbegriffs ergeben sich, wenn Neuartigkeit nicht als<br />
objektiv bestimmbar, son<strong>der</strong>n als soziale Konstruktion verstanden wird. Auf diese<br />
Relationalität und Konstruiertheit des Begriffs verweist im Rahmen <strong>der</strong> Kreativitätsforschung<br />
insbeson<strong>der</strong>e Czikszentmihaly (1997). Nach diesem entscheiden vor allem Expert(inn)en<br />
einer Wissensdomäne, ob etwas als kreativ zu kennzeichnen ist o<strong>der</strong> nicht. Im Hochschulkontext<br />
liegt diese Bewertungshoheit bei den Lehrenden, die als Expert(inn)en den Zugang