Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Institutionelle Rahmenbedingungen | Seite 201<br />
schreibung einschließlich <strong>der</strong> „Accountability“ sowohl in <strong>der</strong> Forschung als auch in <strong>der</strong> Lehre<br />
von den befragten Nachwuchswissenschaftler(inne)n vollständig akzeptiert: Weil Ziele in<br />
beiden Arbeitsbereichen als gleichermaßen wichtig eingestuft werden, steigt die<br />
Wahrscheinlichkeit von Zielkonflikten und einem anhaltenden „schlechtem Gewissen“; die<br />
Nachwuchswissenschaftler(innen) berichten von psychischer Belastung. Sie stehen<br />
permanent vor <strong>der</strong> Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung ihre begrenzte Ressource „Zeit“ sinnvoll einzuteilen. Um<br />
den multiplen Anfor<strong>der</strong>ungen und eigenen Zielen am Arbeitsplatz gerecht zu werden,<br />
müssen Prioritäten auf bestimmte Ziele gelegt werden, müssen Mehrarbeit und Überstunden<br />
Überlasten abfangen o<strong>der</strong> muss unter Umständen das Anspruchsniveau angepasst werden.<br />
Entgegen den karrierestrategischen Ratschlägen, die auch die Hochschulleitungen<br />
<strong>aus</strong>geben, werten sie Lehr- und Forschungsziele als gleich wichtig. Neben dem<br />
Reputationserwerb durch Forschungsleistungen for<strong>der</strong>t die <strong>Bologna</strong>-Reform ein<br />
zunehmendes Engagement in <strong>der</strong> Lehre. Es zeigt sich, dass <strong>der</strong> auf organisationaler Ebene<br />
beschrieben Wettbewerb und Druck auf die Individuen „durchschlägt“.<br />
Im Ergebnis prägen Ressourcenkonflikte den Arbeitsalltag auf den betrachteten zwei Ebenen<br />
in ähnlicher Weise. Sie verweisen jedoch partiell auf unterschiedliche Engpässe (Geld vs.<br />
Zeit) und werden unterschiedlich beantwortet: Auf Organisationsebene verstehen sich die<br />
Hochschulleitungen zwar als zentrale Steuerungsinstanz, sehen ihre Einflussmöglichkeiten<br />
aufgrund des traditionell gewachsenen Selbstverständnisses, in dem die Universität als<br />
Organisation lose gekoppelter Einheiten konzipiert ist, als begrenzt. Sie agieren, indem sie<br />
Supportstrukturen (Qualitätssicherung, Hochschuldidaktik, Nachwuchsför<strong>der</strong>ung) einrichten<br />
und diese mit konkreten Anfor<strong>der</strong>ungen und Aufgaben betrauen. <strong>Der</strong> hierüber <strong>aus</strong>geübte<br />
Einfluss auf die Fakultäten, Betreuer(innen) und Nachwuchswissenschaftler(innen) ist<br />
weitgehend indirekt und basiert auf Freiwilligkeit. Diese Vorgehensweise mag letztlich<br />
funktional sein, beinhaltet aber auch Schwachstellen. So wird die Effektivität <strong>der</strong><br />
Supportangebote von den Befragten häufig <strong>aus</strong> zwei Gründen als begrenzt eingeschätzt.<br />
Neben dem Eindruck, dass häufig Zielgruppen, die „es eigentlich nötig hätten“ (Zitat von<br />
einer Leitungskraft einer hochschuldidaktische Einrichtung), nicht erreicht werden,<br />
beansprucht die Wahrnehmung von Qualifikationsangeboten die ohnehin begrenzte<br />
Ressource von Nachwuchswissenschaftler(inne)n, sprich: <strong>der</strong>en Zeit.<br />
Mit Blick auf die Aussagen <strong>der</strong> befragten Nachwuchswissenschaftler(innen) ist<br />
hervorzuheben, dass diese durchgängig die Verantwortung für die Erfüllung <strong>der</strong> an sie<br />
gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen in Forschung und Lehre zu übernehmen scheinen.<br />
Alarmierend ist die durchgehend hohe Belastung aufgrund von Zielkonflikten, von <strong>der</strong><br />
Nachwuchswissenschaftler(innen) berichten. Ein hohes Belastungsempfinden resultiert<br />
offensichtlich auch <strong>aus</strong> einer beson<strong>der</strong>en persönlichen Bedeutsamkeit <strong>der</strong> Ziele für die<br />
eigene Zukunft. Da insbeson<strong>der</strong>e Konflikte zwischen Zielen <strong>aus</strong> den Bereichen Lehre und<br />
Forschung als beson<strong>der</strong>s belastend erlebt werden, sind gerade hier negative Auswirkungen<br />
auf die Arbeitsmotivation, das berufliche Wohlbefinden und die langfristige Berufsplanung zu<br />
erwarten. Diese langfristigen Folgen wie<strong>der</strong>um werden systemrelevant, wenn berücksichtigt<br />
wird, dass <strong>der</strong> Nachwuchs von heute die Wissenschaftler(innen) von morgen stellen soll.