Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung
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Seite 200 | Lehre unter den Forschungshut bringen<br />
zwei Forschungsvorhaben. Die Gruppe <strong>der</strong>er, die einen Forschungs-Lehre-Zielkonflikt<br />
benennt, zeigt zudem eine im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Nachwuchswissenschaftler(inne)n<br />
höhere extrinsische Lehrmotivation.<br />
Wie können diese Ergebnisse interpretiert werden? Wenngleich die Selbsteinschätzungen<br />
<strong>der</strong> Befragten auf eine durchgängig hohe intrinsische Lehrmotivation verweisen, scheint es<br />
eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftler(inne)n zu geben, die ihr Lehrengagement<br />
stärker von Kosten-Nutzen-Kalkülen abhängig macht und einen Lehre-Forschungs-<br />
Zielkonflikt als beson<strong>der</strong>s belastend erlebt. Da karrierestrategisch bedeutsame<br />
Anreizsysteme – auch <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> Hochschulleitung – primär Forschungsleistungen<br />
honorieren ist zu vermuten, dass an<strong>der</strong>e, weitere externe Faktoren Lehrengagement<br />
bedingen. Dazu können die eingangs geschil<strong>der</strong>ten gestiegenen Erwartungen von<br />
Studierenden, von Hochschulleitungen aber auch weiteren Akteurinnen und Akteuren in <strong>der</strong><br />
öffentlichen Debatte gezählt werden. Dazu können auch weitere Merkmale <strong>der</strong> Lehrvorhaben<br />
gezählt werden: Lehre kennzeichnet einen direkten Kontakt mit Studierenden und ist oftmals<br />
durch Stundenpläne fest terminiert. Aus psychologischer <strong>Sicht</strong> überrascht das Ergebnis einer<br />
höheren Belastung nicht, wenn berücksichtigt wird, dass Nachwuchswissenschaftler(innen)<br />
Lehrvorhaben eher als fremdbestimmt, also von außen vorgegeben, wahrnehmen. Im<br />
Kontrast dazu werden die genannten Forschungsvorhaben als stärker selbstbestimmt<br />
bewertet. In weiteren Auswertungen konnte gezeigt werden, dass gerade die Zielkombinationen,<br />
die mindestens ein (eher) fremdbestimmtes Ziel beinhalten, mit höherem Belastungserleben<br />
einhergehen (vgl. Gorges/Esdar/Wild 2011). Ein größerer Anteil <strong>der</strong> Nachwuchswissenschaftler(innen),<br />
die einen Lehre-Forschungs-Zielkonflikt berichten, möchte eine<br />
wissenschaftliche Karriere in <strong>der</strong> Hochschule verfolgen: 43 % gegenüber 35,8 % <strong>der</strong><br />
Nachwuchswissenschaftler(innen) die einen an<strong>der</strong>en Zielkonflikt berichten. Gleichzeitig<br />
schätzen die Nachwuchswissenschaftler(innen) mit einem Lehre-Forschungs-Zielkonflikt<br />
aber die Wahrscheinlichkeit dieses Karriereziel zu erreichen als unwahrscheinlicher ein.<br />
5. Fazit<br />
Zielkonflikte entstehen, wenn die zeitgleiche Verfolgung mehrerer Ziele o<strong>der</strong> Vorhaben<br />
behin<strong>der</strong>t wird. Die Kontrastierung <strong>der</strong> <strong>Sicht</strong>weisen <strong>der</strong> kollektiven und individuellen<br />
Akteurinnen und Akteure auf Zielkonflikte lässt Parallelen und Unterschiede offenkundig<br />
werden. An <strong>der</strong> Hochschule bewegen sich sowohl die Hochschulleitungen als auch die<br />
Nachwuchswissenschaftler(innen) in einem System, das durch vielfältige und steigende<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen kennzeichnet ist und dadurch zu einer Multiplizierung <strong>der</strong> Ziele beiträgt. Da<br />
Ressourcen – finanziell wie zeitlich – nur begrenzt zur Verfügung stehen, steigen mit <strong>der</strong><br />
Anzahl und dem Anspruch <strong>der</strong> zeitgleich zu verfolgenden Ziele auch die Zielkonflikte:<br />
Auf organisationaler Ebene sehen sich Hochschulen angesichts schrumpfen<strong>der</strong> Grundmittelfinanzierungen<br />
gezwungen, auf externe Anreize vor allem im Bereich Forschung zu<br />
reagieren, um Möglichkeiten <strong>der</strong> Aufstockung finanzieller Ressourcen wahrzunehmen.<br />
Gleichzeitig for<strong>der</strong>n weitere Stakehol<strong>der</strong> (z.B. Studierende, politische Akteurinnen und<br />
Akteure, Medien) in öffentlichen Debatten Anstrengungen und Verbesserungen im Bereich<br />
Lehre, für <strong>der</strong>en Einlösung keine verlässliche Zusatzfinanzierung in vergleichbarer Höhe in<br />
Aussicht steht.<br />
Während die Organisation über Möglichkeiten <strong>der</strong> Verantwortungsdistribution und <strong>der</strong><br />
Entkopplung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten verfügt, wird die Akteurszu-