Theologinnen 23 - Konvent evangelischer Theologinnen
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Maßlosigkeit, Macht und Menschenwürde … und die Wiederentdeckung<br />
christlich-feministischer Gegenbilder<br />
Klara Butting<br />
Am Anfang der feministischen-theologischen Bewegung im 20. Jahrhundert bestanden<br />
feministische Gegenbilder im Entwurf von „der ganz andren“. Ich habe<br />
gerade noch einmal den Text von Elga Sorge gelesen. Hier stehen die Göttin und<br />
ihre Verehrerinnen, die das Leben heiligen, gegenüber dem patriarchalen Gott<br />
JHWH und seinen Stellvertretern, die das Leben zerstören.<br />
Ein anderes Beispiel ist der Satz, den ich mit der theologischen Muttermilch aufgesogen<br />
habe: Ich bin ganz, ich bin gut, ich bin schön. Die Frage, wo bin ich verstrickt,<br />
wo bin ich an Unrecht beteiligt, war nicht aktuell. Zunächst war eine unglaubliche<br />
Kraftanstrengung erforderlich, der zerstörerischen Macht einer Tradition,<br />
in der Frauen zu Zweitgeschaffenen, Erstverführten, der Sünde näher Stehenden<br />
deklassiert worden waren, Gegenbilder entgegen zu setzen.<br />
Unsere Situation hat sich grundlegend verändert:<br />
Es gibt eine Bundeskanzlerin<br />
Es gibt eine Ratsvorsitzende der EKD<br />
Es gibt die Bibel in gerechter Sprache, die die Präsenz von Frauen in der biblischen<br />
Glaubensüberlieferung sichtbar macht.<br />
Es gibt Pfarrerinnen. Und wir Frauen, die in der Kirche arbeiten, müssen gegenwärtig<br />
genau wie Männer unsere Arbeitsbereiche gegen den rabiaten Rotstift verteidigen.<br />
Wir müssen unsere Arbeit in Konkurrenz zu anderen Arbeitsbereichen<br />
oder Anbietern profilieren. Wir müssen stimmige Zahlen nachweisen. Wir sind in<br />
Gefahr, durch Abgrenzung unsere Identität zu profilieren.<br />
Herausforderungen feministischer Theologie<br />
Angesichts dieser veränderten Situation verändern sich die Herausforderungen an<br />
feministische Theologie. Feministische Theologie muss m.E. den vielschichtigen<br />
Ort von Frauen in der Kirche als ihren Kontext ernst nehmen. Diesen kirchlichen<br />
Kontext im Blick haben, heißt auch schwierige Themen auf die Tagesordnung zu<br />
setzen: Die Verstrickung von Pastorinnen in den Profilzwang der evangelischen<br />
Kirche, die Krise von Frauen, burnout-Erfahrungen …<br />
Frauen, die in Kirche und Gesellschaft zu Positionen gelangt sind, werden von<br />
Gott nicht nur unterstützt und stark gemacht, sondern auch kritisiert und zur Ver-<br />
PD Dr. theol. Klara Butting ist Studienleiterin von Erev-Rav, Studierendenpastorin in<br />
Lüneburg und Privatdozentin an der Universität Lüneburg<br />
<strong>Theologinnen</strong> <strong>23</strong> / September 2010 15