Theologinnen 23 - Konvent evangelischer Theologinnen
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ein Dekanatsjugendleiter als Pendant zu mir, Jugendleiterinnen im Gemeindehelferinnenseminar<br />
Stein ausgebildet und Jugenddiakone aus Rummelsberg. Auf Grund meiner<br />
theologischen Vorbildung führte ich für ehrenamtliche Jugendleiterinnen Grundkurse<br />
in Bibelkunde durch. In verschiedenen Münchener Gemeinden hielt ich wöchentliche<br />
Jugendstunden vom Konfirmandentreff bis zur Arbeit mit jungen Erwachsenen. An<br />
verschiedenen Orten leitete ich Jugendfreizeiten. 1960 beendete ich meinen Dienst<br />
als Dekanatsjugendleiterin und bewarb mich beim Stadtschulamt München als hauptberufliche<br />
Religionslehrerin. Ich unterrichtete an der Berufsschule für Friseure und<br />
Verkäuferinnen. Manchmal waren die Religionsstunden sehr aufreibend, vor allem weil<br />
die Lehrpläne für diese Berufsgruppen völlig uninteressant waren. Den jungen Leuten<br />
ging es nicht um hochgestochene dogmatische Probleme, sondern um ihre Alltagsprobleme.<br />
So stellte ich mit den Klassen individuelle Pläne zusammen. Die Fragen und Erfahrungen<br />
der Schülerinnen wurden mit der Fragestellung aufgenommen, was sagt der<br />
christliche Glaube dazu? Natürlich gab es keine Patentantworten, aber es war ein ehrliches<br />
Ringen. Im Sommer 1965/66 war ich mit den besten Absolventinnen der Friseurberufsschule<br />
jeweils 10 Tage in Paris. Sie fanden im Rahmen des 1965 ins Leben gerufenen<br />
Deutsch-Französischen Jugendaustausches statt. Ein erster Hauch von Aussöhnung<br />
ehemaliger Feinde.<br />
Kurz vor meiner „Verbeamtung“ bei der Stadt verzichtete ich auf die Laufbahn der<br />
Studienrätin und folgte dem Ruf des Studienleiters Pfarrer Dr. Christof Bäumler in das<br />
Team des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit in Josefstal. Zu ihm gehörten<br />
auch zwei Sozialwissenschaftler. Zehn interessante Jahre folgten: Fortbildungsseminare<br />
für Jugendleiterinnen aus der BRD, Gemeindetagungen, ökumenische Studienkurse<br />
für Teilnehmerinnen aus Ost und West. Letztere leisten einen wichtigen Beitrag<br />
zur Versöhnung nach dem fürchterlichen Krieg. 1967 wurde Josefstal Versöhnungszentrum<br />
für die Evangelische Kirche in Bayern. Der Provost der Kathedrale von Coventry<br />
überreichte uns das „Nagelkreuz“, es hängt bis heute in der Josefstaler Kapelle.<br />
1944 wurde die Kathedrale von Coventry von deutschen Bombern total zerstört.<br />
Englische Christen errichteten in den Ruinen einen Altar, auf ihm wurde ein Kreuz aus<br />
Nägeln errichtet, die die Dachbalken zusammen gehalten hatten. An der Stirnseite des<br />
Altars stand: Father forgive. So wurden aus Feinden Freunde. „Nie hätten wir gedacht,<br />
einmal bei einer Deutschen im Wohnzimmer zu sitzen“, meinten englische Kirchenvorsteher<br />
als ich sie zu einem Glas Wein einlud. Ähnlich ging es mir mit den ersten<br />
polnischen Christen. Auf Grund der Lügenpropaganda der Nazis über Polen war es<br />
für mich sehr beeindruckend, unbefangen miteinander reden zu können.<br />
Begegnungen ganz anderer Art gab es in den von mir angebotenen Urlaubsseminaren<br />
für Eltern mit geistig behinderten Kindern und den nicht behinderten Geschwistern.<br />
Diese Seminare wurden begleitet von fachkundigen Heilpädagoginnen, Ärzten und<br />
vielen ehrenamtlichen Helferinnen. In diesen Jahren wurden die Eltern in den Ortsgemeinden<br />
sehr alleine gelassen, sie fühlten sich schuldig an der Behinderung ihres Kindes,<br />
dafür schämten sie sich. Wir arbeiteten mit der Lebenshilfe für geistig behinderte<br />
96 <strong>Theologinnen</strong> <strong>23</strong> / September 2010