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Theologinnen 23 - Konvent evangelischer Theologinnen

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eine tragische Figur gedeutet wird. „Die Diskussion um die Gestalt des Königs Saul<br />

hat sich in letzter Zeit stark auf die Dimension des Tragischen zugespitzt“. Saul<br />

wird als eine Figur gezeichnet, die an dem über ihr verhängten Schicksal zugrunde<br />

geht. Es gibt keinen Ausweg für ihn, so auch die Meinung feministischer Auslegung.<br />

Eines der maßgeblichen Bücher dazu ist von Cheryl Exum „Tragedy and<br />

Biblical Narrative“ (Dietrich & Naumann, Samuelbücher, 51). Saul wird ohnmächtig<br />

von Gott oder dem Schicksal in den Untergang getrieben.<br />

Aus dieser Konstruktion einer unausweichlichen Tragik spricht m.E. eine Zeiterfahrung,<br />

unsere Unfähigkeit zur Umkehr.<br />

Wir leben in einer Zeit, in der Umkehr lebensnotwendig geworden ist. Die Finanzkrise<br />

hat gezeigt, wie nahe wir am Abgrund leben. Regeln müssen erarbeitet werden<br />

für die Finanzmärkte, Regeln auch für die Energiepolitik, Regeln, die eine<br />

nachhaltige Energie- und Klimapolitik durchsetzen, Regeln, die das Recht auf Leben<br />

aller Menschen auf dieser Erde schützen. Alle wissen das, aber unser Wissen<br />

führt nicht zu den erforderlichen Veränderungen. Dabei gibt es Persönlichkeiten<br />

des öffentlichen Lebens, an denen diese Unfähigkeit zu notwendiger Umkehr besonders<br />

augenfällig und diskutiert wird – bei uns im Norden wäre da der Bankchef<br />

der HSH Nordbank Dirk Nonnenmacher zu nennen. Nonnenmacher war erst in den<br />

Schlagzeilen wegen Bonizahlungen in Millionenhöhe, die er mitten in der Finanzkrise<br />

eingesteckt hat, während seine Bank Staatshilfen gekommen hat. Dann kam<br />

und kommt er immer wieder ins Gerede wegen Fehler in der Bankleitung im Vorfeld<br />

der Finanzkrise. Viele sagen, er sei untragbar geworden, aber Konsequenzen<br />

zieht er nicht.<br />

Diese herrschende Normalität wird zum hermeneutischen Horizont der biblischen<br />

Texte. Der Text wird Teil unserer Normalität und nichts erscheint undenkbarer,<br />

als dass Saul zugunsten Davids auf Macht verzichten sollte und könnte.<br />

Nun gibt es in der Geschichte eine Formulierung, die man in Sinne unausweichlicher<br />

Tragik missverstehen könnte. Sauls depressive und aggressive Zustände werden<br />

mit Gott in Verbindung gebracht. Die Geschichte setzt ein mit der Feststellung:<br />

„Die Geistkraft des Ewigen war von Saul gewichen, und ein böser Geist von<br />

dem Ewigen her begann ihn zu umgrausen“ (16,14).<br />

Und in der zweiten Geschichte heißt es noch einmal: „ein böser Geist Gottes geriet<br />

über Saul“.<br />

Wahrscheinlich gehen bei diesen Sätzen bei vielen von uns die Alarmleuchten an.<br />

Es gab und gibt religiöse Traditionen, die behaupten, dass Unglück, Krankheit,<br />

beruflicher Niedergang von Gott als Strafe geschickt wird. Deshalb ist bei solchen<br />

Sätzen Vorsicht geboten. Unglück, Scheitern oder eine manisch-depressivie Erkrankung,<br />

die viele Gelehrte bei Saul diagnostiziert haben, kommen nicht von<br />

Gott.<br />

<strong>Theologinnen</strong> <strong>23</strong> / September 2010 19

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