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Die große Ausstellung „Max Pechstein – Pionier der Moderne“ im Brücke-Museum zeigt eher<br />

Pechsteins eigenen Weg als die gemeinsame Handschrift. Vor allem die Arbeiten auf Papier<br />

stellen die Unterschiede heraus. Da ist zum einen Pechsteins Humor. Fast wie eine Karikatur<br />

wirkt der Linolschnitt „Die neue Kappe“ von 1906. Eine Bäuerin in Kittelschürze wendet sich<br />

dem Betrachter zu. Auf dem Kopf eine Fellmütze, in der Bewegung fliegen die Ohrenklappen.<br />

Zwei gebogene Striche genügen, um den Holzclogs Gewicht zu verleihen.<br />

„Unmittelbar und unverfälscht“: Mehr noch als das berühmte Motto der „Brücke“ beeinflusst<br />

die Malerei von Vincent van Gogh Pechsteins Arbeiten. Die Skizzen von der Italienreise 1907<br />

wirken noch pflichtbewusst. In Paris aber ändert sich der Stil. Bei den Lastkähnen, die auf der<br />

Seine schaukeln, beben die Planken, die Luft flirrt, die Bäume zittern. „Mir kommt es vor, als<br />

sei ich sehend geworden“, schreibt Pechstein an einen Freund. Die spannungsgeladenen<br />

Tuschzeichnungen vermitteln die Aufregung dieses ersten Sehens. Nach Paris werden<br />

Boote Pechsteins Lieblingsmotive.<br />

Er ist ein genauer Beobachter. Seine „Brücke“-Kollegen porträtiert er mitfühlend, aber<br />

scharfäugig: Erich Heckel als Melancholiker, Karl Schmidt-Rottluff mit dem Blick eines<br />

Studienrats und Ernst-Ludwig Kirchner als kapriziösen Zeitgenossen mit schmalen Augen<br />

und spitzem Kinn. Überraschend, dass der gewiefte Zeichner bei den gemeinsamen<br />

„Viertelstundenakten“ an den Moritzburger Teichen ins Stocken gerät. Die Körper wirken<br />

befangen, die Bewegungen kantig, immer wieder muss er verbessern. Im zentralen Gemälde<br />

der Ausstellung, dem „Gelbschwarzen Trikot“ von 1910, befreit er sich vom Gruppendruck mit<br />

Humor. Hinter dem großen Mädchen im bienenfarbenen Badeanzug hüpfen fünf nackte<br />

Lausbuben durchs Gras.<br />

Seit 1909 wohnt Pechstein in Berlin. Zwei Jahre später kommt Kirchner aus Dresden nach<br />

und mietet Wohnung und Atelier im selben Haus, in der Durlacher Straße 14. Die beiden<br />

gründen das MUIM-Institut, das „Modernen Unterricht in Malerei“ verspricht. Allerdings<br />

machen nur zwei Studenten von dem Angebot Gebrauch, das Institut schließt schnell wieder.<br />

Immerhin reicht die Zeit, Anton von Werner, den Berliner Akademiedirektor zu provozieren.<br />

Der findet die von Kirchner gestaltete Anzeige schamlos. Auch die Berliner Secession rümpft<br />

die Nase über die Expressionisten. Als eines seiner Bilder bei der Sommerausstellung<br />

abgelehnt wird, gründet Pechstein mit anderen Zurückgewiesenen die Neue Secession. Das<br />

Plakat zur ersten Ausstellung in der Rankestraße 1 zeigt Pechsteins Frau Lotte als nackte<br />

Südseeschönheit mit Pfeil und Bogen.<br />

Den eigentlichen Höhepunkt der Ausstellung bilden die Skizzen von der Reise auf die Palau-<br />

Inseln 1914. In den Zeichnungen von den Fischern und Badenden ist der Künstler ganz bei<br />

sich. Die arabische Schute, die Auslegerboote, das Kanu wirken leicht wie Luftspiegelungen.<br />

Wegen des Ersten Weltkrieges müssen Max und Lotte Pechstein jedoch den Aufenthalt<br />

vorzeitig abbrechen. Ein Großteil der Bilder geht im Chaos der überstürzten Rückreise<br />

verloren. Ausgerechnet das Konvolut, in dem sich die Quintessenz von Pechsteins Werk<br />

bündelt, existiert nicht mehr.<br />

Nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg malt Pechstein wieder und wieder die<br />

Erinnerungen an Palau, wie um das verlorene Paradies zu beschwören. Aber: „Es war ein<br />

dicker Strich, den der Schützengraben durch mein Leben gezogen hat“, schreibt er in einem<br />

Brief. Ein Selbstporträt von 1917 zeigt die Veränderungen, die zerfurchte Stirn, die<br />

zweifelnden Augen. Humor, Leichtigkeit, Begeisterung sind dahin.<br />

Noch einmal schließt sich Max Pechstein einer Künstlervereinigung an, der<br />

Novembergruppe, die sich 1918 in Berlin gründet. Doch die Arbeiten aus den zwanziger

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