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„… Bei uns in der Lofag …“ - Verband Wiener Volksbildung

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e<strong>in</strong>em Metallverarbeitenden Betrieb gibt’s für Angst ke<strong>in</strong>en Grund.<br />

Daher hat mich <strong>der</strong> Begriff „Banermühl“ nicht erschüttern können.<br />

Doris Weißmüller: Ihre Frauen haben auch ke<strong>in</strong>e Angst gehabt um<br />

Sie?<br />

Erich Ganzger: Denen haben wir ja auch nicht alles erzählt, wie<br />

es da so zugeht.<br />

Anton Österreicher: Es war <strong>in</strong> den Jahren 1945 bis 1946, als die<br />

Russen <strong>in</strong> <strong>uns</strong>erer Lokomotivfabrik die Masch<strong>in</strong>en und E<strong>in</strong>richtungen<br />

demontierten. Tag und Nacht erfolgte die Demontage und<br />

das Verladen von Werkzeugmasch<strong>in</strong>en, Generatoren, Kesseln, zum<br />

Transport <strong>in</strong> die Sowjetunion. Alles Brauchbare wurde weggebracht.<br />

Unsere Uhren und <strong>uns</strong>ere Akkutaschenlampen haben wir<br />

sorgsamerweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klei<strong>der</strong>kasten e<strong>in</strong>gesperrt, da sie sonst<br />

weggewesen wären.<br />

Die Hallendächer waren durch die Bombentreffer großteils<br />

zerstört. Es regnete an diesem Tag <strong>in</strong> Strömen und am Boden <strong>der</strong><br />

Halle gab es unzählige Wasserpfützen. Ich arbeitete zu dieser Zeit<br />

mit e<strong>in</strong>em alten Kollegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachtschicht. So gegen 24 Uhr kam<br />

plötzlich e<strong>in</strong> Russe gelaufen und schrie fürchterlich: „Towarischtsch<br />

dawaj, dawaj, dawaj!“ Wir nahmen rasch <strong>uns</strong>ere Handlampen und<br />

Werkzeugtaschen und liefen mit ihm <strong>in</strong> die Schmiede. Da es dort<br />

stockdunkel war, sahen wir erst im Sche<strong>in</strong> <strong>uns</strong>erer Handlampen<br />

e<strong>in</strong>e Gestalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wasserpfütze stehen. Wir stellten sofort fest,<br />

dass <strong>der</strong> Mann mit e<strong>in</strong>er Hand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenen Kranschalter und<br />

damit <strong>in</strong> dem Starkstromkreis geraten war. Ich riß mir me<strong>in</strong>e Arbeitsbluse<br />

vom Körper, nahm sie an den Ärmeln, schlang sie dem<br />

Russen um den Kopf und Hals, dann zog ich ihn vom Kranschalter<br />

weg. Sofort begann ich mit Wie<strong>der</strong>belebungsversuchen, wie wir sie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufschule gelernt hatten, es gab damals noch ke<strong>in</strong>e Mundzu-Mund-Beatmung,<br />

auch ke<strong>in</strong>e Herzmassage. Mehrere Russen<br />

standen nach e<strong>in</strong>iger Zeit teilnahmslos um <strong>uns</strong> herum bis ich sie<br />

anschrie: „Holt sofort e<strong>in</strong>en Arzt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Krankenwagen!“ Dann<br />

dauerte es noch zirka e<strong>in</strong>e dreiviertel Stunde, bis e<strong>in</strong> Sanitätswagen<br />

kam. Geme<strong>in</strong>sam versuchten wir noch alles mögliche, aber<br />

<strong>der</strong> Verunglückte starb noch unter <strong>uns</strong>eren Bemühungen. Wer den<br />

Schalterdeckel abmontiert hatte und damit diesen Unfall eigentlich

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