Dr. Jan Schröder - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen ...
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endlich zu sagen, was wirklich notwendig ist und wohin wir unser professionelles Handeln<br />
ausrichten sollen.<br />
Knut Lehmann<br />
Eine kurze Bemerkung zu Ihnen. Das, was Sie beschreiben, die bundesdeutsche Wirklichkeit,<br />
stimmt so überhaupt nicht. Natürlich haben wir eine ganz starke und vielfältige<br />
Selbsthilfebewegung. Und alle Forschungen, die das in der Bundesrepublik untersucht<br />
haben, weisen nach, dass rund ein <strong>Dr</strong>ittel der erwachsenen Bevölkerung ehrenamtlich<br />
und selbsthilfemässig tätig ist. Wenn auch in unterschiedlichen Formen. Die Kritik an<br />
dem System der freien Wohlfahrtspflege besteht völlig zu Recht, aber ich finde, Sie<br />
zeichnen ein Zerrbild. So ist die Realität in der Bundesrepublik nicht, wie Sie es beschreiben.<br />
Das war aber nicht mein Grund, mich zu melden. Sondern ich habe einen anderen<br />
Punkt. Ich bemerke hier immer so eine implizite Staatskritik. Man muss auch überlegen,<br />
dass die Selbstbestimmung bestimmter infrastruktureller und gesellschaftlicher Voraussetzungen<br />
bedarf, die nur die Politik selber herstellen kann. Wenn Herr Schulte ein Altenhilfegesetz<br />
fordert, dann fordert er staatliches Handeln. Insofern müssen wir noch<br />
mal genau überlegen, ob wir nicht ein bisschen das Kind mit dem Bad ausschütten,<br />
wenn wir so diskutieren, wie es implizit manchmal formuliert wird. Alleine die Selbstbestimmung<br />
wird nicht greifen, wenn wir nicht die zivilisatorischen Voraussetzungen da<strong>für</strong><br />
schaffen, dass <strong>für</strong> Menschen, die sich auf dem Markt und in der normalen Gesellschaft<br />
nicht in der Weise durchsetzen können, sozusagen infrastrukturelle Voraussetzungen<br />
geboten werden, damit sie sich artikulieren können, soweit es ihnen noch möglich ist.<br />
Ich finde das ist ein wichtiger Punkt. Das sollten wir berücksichtigen. Denn je mehr wir<br />
bisher staatliche Leistungen <strong>für</strong> behinderte oder andere schwierige oder benachteiligte<br />
Gruppen vergesellschaften, desto mehr kommt die Politik in eine Gewährleistungsfunktion<br />
im Sinne der Vorgabe, aber auch des Controlling. Ich denke das sollte man fairer<br />
Weise mit diskutieren. Das haben Sie in den Niederlanden auch und wenn ich in die<br />
<strong>Dr</strong>ogenpolitik gucke und wie sich das in Amsterdam verändert hat, dann gibt es auf einmal<br />
dort eine relativ starke Gewährleistungsfunktion, eine rigide Ordnungsfunktion, weil<br />
man sagt, ganz bestimmte Zustände können wir nicht zulassen, ohne dass nicht andere<br />
nachhaltig beeinträchtigt werden. Und wir haben <strong>für</strong> die Autos einen TÜV. Und wir müssen,<br />
wenn wir solche Selbstbestimmung zulassen, <strong>für</strong> die Leistungserbringer irgendeine<br />
Art von gesellschaftlicher Kontrolle mit positiven und negativen Sanktionsmöglichkeiten<br />
schaffen. Und das geht nur dann, wenn die Politik das auch macht und auch durchsetzt.<br />
Herr ...<br />
Ich versuche, mich ganz dicht an dem zu halten, was bis jetzt diskutiert wurde. Es freut<br />
mich sehr, dass ein Schwerpunkt die Beobachtung dieses Verhandlungssystems ist,<br />
etwa §§ 93 ff BSHG. Also, ein System, das gerade versucht, zu entstaatlichen und eine<br />
gerechte Regelung zu finden. Wir hatten eine kleine Kontroverse hier im Podium zur<br />
Wirksamkeit des 93er Systems. Was mir auffällt ist, dass das 93er System sich sehr<br />
geheim abspielt. Man erfährt gar nicht, wie die Verhandlungen sind. Das scheint mir ein<br />
Demokratiemangel zu sein. Und das zweite, was hier angesprochen worden ist, betrifft<br />
die Rolle der Wohlfahrtsverbände, die eben doch eine Doppelrolle haben und die Frage<br />
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