Dr. Jan Schröder - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen ...
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Staatsaufgaben eine große Rolle spielte. Es hat sich relativ leicht und schnell herumgesprochen,<br />
dass Aufgabenkritik nötig sei. Wenn Sie die gesamte Entwicklung der<br />
Staatsmodernisierung und Verwaltungsreform in den letzten fünf oder zehn Jahren betrachten,<br />
ist allerdings Aufgabenkritik praktisch unmöglich, wenn der Ansatz des<br />
„Schlanken Staates“ verfolgt wird, dass nämlich der öffentliche Bereich im weitesten<br />
Sinne und der staatliche Bereich im engeren Sinne selbst daran gehen, die Aufgaben<br />
neu zu definieren.<br />
Das kann nicht funktionieren. Es gibt ein paar Beispiele in Landesverwaltungen, wo Aufgabenkritik<br />
darin bestand, zehn Prozent der bestehenden kleinen Leistungen und Aufgaben<br />
abzuschaffen oder zu bündeln. Viele einzelne kleine Dinge waren sozusagen per<br />
se nicht mehr einsichtig und summierten sich schon zu beachtlichen Geldmengen, die<br />
die Verwaltung aus sich selbst heraus einsparen konnte. Die Hamburger Verwaltungsreformer<br />
berichteten einmal stolz, eine Milliarde DM eingespart zu haben, und kein<br />
Mensch hätte es bemerkt. Das bedeutet also: eine Milliarde DM wurde bisher ohne jede<br />
Wirkungsorientierung ausgegeben, weil es ja ohnehin keiner gemerkt hat. Soweit geht<br />
also die administrative Aufgabenkritik.<br />
Wenn es dann aber weiter darum geht, den Staat wirklich umzubauen, zu modernisieren<br />
und Aufgaben neu zu definieren, dann ist dies ist eine Frage der Aushandlung mit den<br />
Bürgern, eine Frage der Demokratie; denn alle Staatsaufgaben sind im demokratischen<br />
Prozess entstanden. Erste Aufgabe des aktivierenden Staates wäre eine wirkliche Demokratiereform.<br />
Ich gehe jetzt ganz hoch in die Institutionen und sage: wenn wir das<br />
alles wollen, was heute morgen besprochen worden ist, und die wahren Abenteuer im<br />
Kopf liegen, dann müssen wir es auch wagen, an die Feinheit der Demokratiereform zu<br />
gehen, und aus diesem Kontext ist mein oder unser Konzept „Aktivierender Staat“ entstanden.<br />
Ich halte es <strong>für</strong> sehr wichtig, diese Vorgeschichte zu beleuchten, weil uns häufig<br />
vorgeworfen wird, wir seien nur „Betriebswirte“, und Aktivierung ginge instrumentell<br />
und generell in Richtung Staatsentlastung. Genau das wollen wir aber nicht, sondern<br />
eine ganz andere Art von Staatlichkeit.<br />
In Niedersachsen wurde von uns deshalb eine Bürgerbefragung mit folgenden Fragen<br />
durchgeführt: Was soll der Staat unbedingt leisten? Was meint der Bürger? Was könnte<br />
er eventuell selber machen? Wir haben Alternativen aufgestellt: Finanzkürzung oder<br />
Beibehaltung von Aufgaben? Könnte der Bürger etwas selbst beitragen? Wie groß ist<br />
eigentlich die Bereitschaft der Bürger, repräsentativ betrachtet, Aufgaben zu übernehmen,<br />
was ja die Kommission „Schlanker Staat“ wollte? Alle unwichtigen Nichtkernaufgaben<br />
des Staates sollten an die Gesellschaft zurückgegeben werden. Keiner hat die Gesellschaft<br />
jedoch gefragt, ob sie die Aufgaben wiederhaben will. Wie soll das denn auch<br />
gehen?<br />
Wir haben die Bürgerinnen und Bürger gefragt. Dabei stellte sich unter dem Stichwort<br />
„Demokratiereform“ eine interessante Konstellation heraus: Die Bürger - wir haben sehr<br />
genau nach sozialstrukturellen Merkmalen untersucht - bei den Ergebnissen zu dieser<br />
Frage gab es überhaupt keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern, den Einkommens-<br />
und Bildungsgruppen - sind bereit, Aufgaben neu mitzugestalten, das heißt<br />
auch, Verantwortung zum Teil selber zu übernehmen, wenn „da oben“, im Staat, ein<br />
besseres Management geleistet würde. Die Bürger sagen: Wir nehmen nur dann Aufga-<br />
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