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Dr. Jan Schröder - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen ...

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Es ist auffallend, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft Behinderten ein aktives Teilnehmen<br />

am gesellschaftlichen Leben kaum zugebilligt wird. Auch bietet man zu wenig<br />

Möglichkeiten, die am besten geeigneten Hilfeleistungen selbst zu wählen. Das Angebot<br />

der regulären Hilfs- und Pflegedienste ist unzureichend auf die Bedürfnisse ihrer Klienten<br />

ausgerichtet. Kurzum: Hilfs- und Pflegeorganisationen sind den gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen nicht gefolgt. Die ambulanten Pflegedienste fordern zum Beispiel von<br />

ihren Klienten, dass sie während der Leistungserbringung zu Hause sein müssen. Auch<br />

kommt es regelmäßig vor, dass Pflegepersonal der Hauspflegeorganisation einen Tag<br />

um acht Uhr morgens erscheint und am nächsten erst um elf Uhr. Durch einen derartigen<br />

Mangel an zuverlässigen Absprachen kann man zum Beispiel nicht rechtzeitig an<br />

seiner Arbeitsstelle erscheinen. Das kann zu Konflikten mit dem Arbeitgeber, ja schließlich<br />

zur Entlassung führen.<br />

Noch allzu oft werden chronisch Kranke, Behinderte und <strong>Senioren</strong> zu Pflegeobjekten<br />

reduziert und als Patienten betrachtet statt als Mitbürger. Ihr Pflegeplan wird zum Lebensplan<br />

erklärt.<br />

Der Protest der Betroffenen wurde deutlich hörbar und führte schließlich zur Entwicklung<br />

des Personengebunden Budgets als Alternative zu den regulären Hilfs- und Pflegediensten.<br />

Zu Unrecht wird gelegentlich gedacht, das Persönliche Budget sei zur Kostenreduzierung<br />

erfunden worden. Der eigentliche, auch von der Politik getragene Grund<br />

war der ständige Einbruch des herkömmlichen Systems in das Privatleben der Leistungsberechtigten.<br />

Hat eine Person ein umfassendes Pflegebedürfnis, dann kann es geschehen, dass von<br />

der Hauspflegestation bis zu dreißig verschiedene Personen in einer Woche in das<br />

Haus dieser Person kommen, die jeder eine Teilaufgabe erfüllen. Das Privatleben des<br />

Pflegeempfängers und seiner Hausgenossen wird hierdurch gravierend gestört.<br />

Setzt sich dieser Zustand über Jahre hinweg fort, kann das ernste Folgen haben.<br />

Mit diesem Hintergrund taten sich vor fünfzehn Jahren einige <strong>Frauen</strong> und ein Mann<br />

zusammen, um sich erst einmal gegenseitig ihre Not zu klagen und dann gemeinsam<br />

nach innovativen Ideen zu suchen <strong>für</strong> eine bessere Form von Hilfeleistung. Ich gehörte<br />

damals auch zu dieser Gruppe. Wir besuchten die Vereinigten Staaten, Dänemark und<br />

Norwegen, um zu sehen, welche Wege man dort mit Pflegebudgets eingeschlagen hatte.<br />

Die Stiftung "Independent Living" in Amerika kam mit ihren Ideen der Gestaltung unserer<br />

Wünsche am nächsten.<br />

Zur gleichen Zeit kam eine Gruppe von Eltern geistig behinderter Kinder zusammen, um<br />

nach einer Lösung <strong>für</strong> ähnliche Probleme zu suchen.<br />

Ideen allein reichen natürlich nicht aus. Es galt auch, andere zu überzeugen. Es musste<br />

verhandelt werden. In Den Haag musste eine Lobby gebildet werden zur Beeinflussung<br />

der Mitglieder der Gesundheitskommission des Parlaments, zur Einflussnahme bei den<br />

politischen Parteien, den Versicherungsträgern, der Gewerkschaften und nicht zuletzt in<br />

den eigenen Reihen. Die neugewonnen Einsichten mussten pausenlos verteidigt werden:<br />

Hilfe nach Maß, Verstärkung der Position der Leistungsberechtigten, Emanzipation.<br />

Erst mit einem Persönlichen Budget ist man imstande sein Leben selbst zu gestalten,<br />

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