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Dr. Jan Schröder - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen ...

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eine Person nicht eigenverantwortlich handeln kann. Da<strong>für</strong> haben wir das Betreuungsrecht,<br />

früher das Vormundschaftsrecht <strong>für</strong> Volljährige. Aber unterhalb dieser Schwelle<br />

meine ich, darf der Einzelne selber entscheiden.<br />

Es gab vor Jahren in den USA und in England eine intensive Diskussion, pointiert geführt<br />

unter dem Slogen: Das Recht des Einzelnen auf seine Psychose. Das heißt, die<br />

Frage stellen, ob man ein Recht darauf hat, gegen eine psychische Erkrankung nicht<br />

behandelt zu werden. Ich würde sagen, im Grundsatz, auch hier ja (Grenze: lebensbedrohliche<br />

Selbstgefährdung). Und da können wir von den Niederlanden viel lernen, auch<br />

aus der Sterbehilfediskussion, die schwappt da ein bisschen rein. Wobei das bei uns in<br />

Deutschland ein besonders heikles Thema ist. Aber da können wir viel lernen über das<br />

Menschenbild unseres Sozialstaates.<br />

Ich unterstreiche noch einmal das, was gestern Herr Blanke gesagt hat. Das einzige, wo<br />

ich mit seinen Ausführungen nicht konform gehe, ist der Begriff, den er gewählt hat: der<br />

„aktivierende Sozialstaat“. Das klingt ein wenig, das hat er selber gesagt, als sei der Sozialstaat<br />

derjenige, der die anderen so auf Trapp bringt. Das wird auch gemeinhin unter<br />

dem Begriff so verstanden. Deswegen würde ich diesen Begriff nicht wählen. Ein Idealbegriff<br />

ist der kooperative Sozialstaat. Der Sozialstaat, der in sich kooperiert, wenn der<br />

Bund sich mit den Ländern und Gemeinden ergänzt und vielmehr der auch mit den<br />

Marktkräften kooperiert, mit der freien Wohlfahrtspflege, den Selbsthilfebewegungen<br />

und natürlich mit dem Bürger. Das Rechtsinstrument, idealiter, ist in dem Falle nicht das<br />

Gesetz, „Par ordre du mufti“, der Obrigkeitsstaat auch im Fürsorgebereich, sondern<br />

Handlungsinstrument ist die Vereinbarung, der Vertrag, das Aushandeln. Wenn wir diesen<br />

Begriff wählen, kommen wir auch zu einer gewissen Gleichordnung der einzelnen<br />

Partner bis hin zu den Leistungsträgern und Leistungserbringern. Ein kooperativer Sozialstaat<br />

wäre ein Gegensatz zu dem, was wir früher waren, ein korporatistischer Sozialstaat.<br />

Das ist die internationale Terminologie: „corporate social (oder welfare) state“.<br />

Damit war gemeint, dass wir ein Sozialstaat sind, der auf der Sozialpartnerschaft -<br />

Stichwort Arbeiterversicherung - fußt. Einen Sozialversicherungsstaat nannte es Herr<br />

Blanke, wo jetzt die Sozialpartner eine große Rolle spielen und auch die „vermachteten“<br />

Verbände, die Krankenkassenvereinigungen wurden bereits genannt. Diese Struktur ist<br />

überholt, was die Sozialpartner angeht - deshalb überholt, weil das Arbeitsverhältnis<br />

nicht mehr so prägend ist, dass die Sozialversicherung allein darauf aufbauen kann.<br />

Nehmen wir wiederum die Pflegeversicherung, eine intelligente Lösung bei aller Unvollkommenheit<br />

(„Teilkasko-Versicherung“) ein gutes Gesetz. Pflegepersonen werden auf<br />

Grund einer Nichterwerbstätigkeit in die Sozialversicherung eingebaut. Eine sehr gute<br />

Lösung. Das geht in die Richtung des kooperativen Sozialstaates, der die Bürger stärker<br />

so nimmt wie sie sind, in der Vielfalt ihrer Rollen. Der Bürger ist nicht, wie damals zu<br />

Bismarcks Zeiten in erster Linie Arbeiter und deswegen als solcher versichert, sondern<br />

Bürger kann auch Hausfrau sein, der Bürger kann Pflegeperson sein, der Bürger kann<br />

Kind sein, Jugendlicher usw. An diese verschiedene Rollen muss jeweils angeknüpft<br />

werden.<br />

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